Mitternachtslust
wäre er wohl nur allzu gern bereit gewesen, den Verkauf des Hauses zu vermitteln.
»Würden Sie mir bitte die Adresse oder die Telefonnummer des Eigentümers geben?«, setzte sie neu an. »Unter diesen Umständen möchte ich mit ihm persönlich reden.«
Erstaunt kehrten die unsteten Wieselaugen zu Melissas Gesicht zurück. »Aber Sie kennen ihn doch sicher. Herr Burg wohnt im Gärtnerhaus seines Anwesens.«
Melissa schnappte nach Luft. »Alexander Burg? Er ist der Eigentümer des Hauses?!«
»Wussten Sie das nicht?« Der Makler riss erstaunt die Äuglein auf. »Ich hoffe nur, Herr Burg wird mir nicht übelnehmen, dass ich es Ihnen gesagt habe.«
»Ich bin Ihnen jedenfalls dankbar.« Melissa sprang auf und stürmte aus dem Büro, ohne sich um den sprachlosen Makler zu kümmern. Sie musste sofort mit Alexander sprechen!
Er hatte sie nicht nur in dem Glauben gelassen, er sei ein erfolgloser, praktisch am Hungertuch nagender Maler, er hatte auch mit keinem Wort erwähnt, dass ihm das Haus gehörte, in dem sie mit einem Geist wohnte, der womöglich zu seinen Vorfahren zählte!
Später konnte Melissa sich nicht erinnern, wie sie mit dem Auto den Weg durch die Stadt und auf ihren hohen Absätzen den Weg durch den Park zurückgelegt hatte. Sie rannte fast die Tür des Gärtnerhäuschens ein, weil diese zum ersten Mal verschlossen war. Wütend hämmerte sie mit ihren Fäusten gegen das Holz.
»Mach auf, Alexander!«, rief sie. »Ich habe mit dir zu reden!«
Als trotz weiteren Klopfens und Rufens nichts geschah, lief sie um das Haus herum und sah in sämtliche Fenster und durch die Glasfront des Wintergartens. Falls Alexander sich nicht in einem Schrank oder hinter dem Duschvorhang im Bad versteckte, war er nicht zu Hause.
Auf ihren hochhackigen Pumps schlingerte Melissa durch den Park zum Haupthaus zurück. Vor lauter Aufregung gelang es ihr nicht auf Anhieb, die Haustür aufzuschließen. Drei Mal fiel ihr der Schlüssel herunter, bevor sie es endlich schaffte, ihn ins Schloss zu stecken.
Als sie schließlich in der Halle stand, sah sie sich suchend um. Warum war nicht wenigstens Julius da? Sie hatte bei ihren Begegnungen mit dem Geist festgestellt, dass er geduldiger zuhören konnte als die meisten Menschen. Vielleicht lag das daran, dass er alle Zeit der Welt hatte und deshalb keine Ungeduld kannte.
»Julius?«, rief sie leise in den Raum, aber nichts geschah, außer dass Bonzo laut kläffend die Treppe heruntergesprungen kam. Offensichtlich hatte er oben in seinem Korb vor Melissas Schlafzimmertür gelegen.
»Als Wachhund bist du auch nicht gerade der Bringer«, murrte Melissa schlecht gelaunt, kraulte den jungen Hund aber dennoch hinter den Ohren. »Weißt du denn nicht, wo Julius ist?«
Bonzo sah sie mit zurückgezogenen Lefzen an, was auf frappierende Weise einem Lächeln ähnelte. Falls er wusste, wo Julius sich verbarg, wenn er nicht vor Melissas Augen erschien, verriet er es jedenfalls nicht.
»Vielleicht könnte ich Julius überreden, einmal bei Alexander zu spuken«, überlegte Melissa laut und ließ ihre Hand über das seidige Fell des jungen Hundes gleiten. Während sie neben Bonzo hockte und ihn streichelte, fiel ihr Blick auf die niedrige Kommode neben der Tür. Dort stand eine flache Silberschale, in der sie ihre Post zu sammeln pflegte, falls es sich nicht um Dinge handelte, die sofort erledigt werden mussten.
Sie sprang über den am Boden liegenden Hund und eilte zur Kommode. Mit zusammengepressten Lippen und funkelnden Augen wühlte sie zwischen Werbebroschüren, Rechnungen und verspäteten Beileidskarten. Endlich fand sie, wonach sie gesucht hatte.
»Dachte ich es mir doch!«, murmelte sie triumphierend, nachdem sie Datum und Uhrzeit überprüft hatte, und stopfte die Klappkarte aus handgeschöpftem schwerem Bütten in ihre Handtasche.
Gefolgt von Bonzos traurigen Blicken verließ Melissa erneut das Haus.
Liebeslandschaften – Alexander Burg auf der Höhe seines künstlerischen Schaffens war in großen goldenen Buchstaben über dem Eingang zu der Galerie zu lesen.
»Warum nicht gleich eine blinkende Leuchtreklame für den großen Künstler?«, maulte Melissa vor sich hin, während sie die Glastür aufstieß und den Raum betrat, in dem sich so viele Menschen aufhielten, dass von den Bildern an den Wänden kaum etwas zu sehen war. Unglaublich, wie viele Leute auf reißerische Werbung und eine auf vornehm getrimmte Einladungskarte hereinfielen!
Bereits drei Schritte hinter dem Eingang
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