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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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fiel.
    »Und Sie sind sicher, dass die Gläser Originale aus dem neunzehnten Jahrhundert sind?«, wandte sie sich an den Händler, der so unbeweglich neben ihr stand, dass er fast mit dem dunklen Hintergrund des Ladens verschmolz.
    »Etwa um achtzehnhundertsechzig«, erwiderte er so entschieden, dass sie nicht wagte, nach einer Expertise zu fragen, obwohl der Preis der Gläser auf dem diskret angebrachten Schildchen sie fast umgehauen hatte. Zum Glück war sie ja in der glücklichen Lage, sich gelegentlich einen solchen Luxus erlauben zu können. Und da sie unbedingt wollte, dass das Glas, das er berühren und aus dem er trinken sollte, aus jener Zeit stammte, zu der er gelebt hatte, blieb ihr keine andere Wahl, als die geforderte Summe zu zahlen. Der Antiquitätenhändler hatte einen guten Ruf, sodass es wohl keine allzu große Dummheit darstellte, seinen Aussagen über Alter und Herkunft der Gläser zu glauben.
    »Dann nehme ich die beiden Gläser mit«, entschied sie und kramte in ihrer Tasche nach der Kreditkarte, während der Mann mit seinen langen schmalen Fingern die Gläser fast zärtlich in mehrere Lagen Seidenpapier wickelte.
    Als Melissa den Laden verließ, hing die Dämmerung schon tief über den Dächern der Stadt. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Kurz vor acht, also noch zu früh, um nach Hause zu fahren und sich auf die Nacht mit Julius vorzubereiten. Plötzlich fühlte sie sich sehr einsam und sehnte sich nach jemandem, der ihr zuhörte und sie vielleicht sogar verstand. Für einen Moment vermisste sie Alexander und seine Wärme und Stärke so sehr, dass es ihr die Kehle zuschnürte. Aber sie hatte ihm erklärt, sie sei heute so beschäftigt, dass sie ihn auf keinen Fall sehen könne, denn wenn er herausfand, was sie vorhatte, würde er mit Sicherheit versuchen, sie von ihrem Plan abzubringen.
    Doch es gab ja noch Natascha, mit der sie noch einmal reden konnte, bevor sie allein in das Haus zurückkehrte, in dem Julius auf sie wartete.
    Die Bar lag nur wenige Querstraßen entfernt, und soweit Melissa sich erinnerte, hatte Natascha in den frühen Abendstunden frei und hielt sich meistens in ihrer kleinen Wohnung über dem Club auf. Wenn sie Natascha sehen wollte, konnte sie also einfach über die Hintertreppe nach oben gehen, ohne den dunklen Gastraum durchqueren zu müssen, der ihr immer ein unbehagliches Gefühl bereitete.
    Am meisten Angst hatte Melissa davor, eines Tages mitten in eine Darbietung Nataschas zu geraten. Aus irgendeinem Grund wäre es ihr peinlich gewesen, Natascha dabei zuzusehen, wie sie sich mit verführerischen Bewegungen unter den gierigen Blicken der Männer auszog.
    Die knarrende Tür, die von einem mit Mülleimern und Abfallsäcken vollgestellten Hinterhof zu der schmalen Treppe führte, war unverschlossen. Im Halbdunkel stieg sie die schmalen Stufen hinauf, wobei sie sorgfältig darauf achtete, die Tasche mit den kostbaren Gläsern nicht gegen das Geländer zu stoßen.
    Im zweiten Stock klopfte sie mehrmals an die Tür zu Nataschas Wohnung, doch niemand reagierte. Da auch diese Tür nicht abgeschlossen war, betrat sie schließlich das Zimmer. Sie wusste, dass Natascha nichts dagegen haben würde, wenn sie hier auf sie wartete.
    Ohne das Licht anzuknipsen, ließ Melissa sich mit einem Seufzer in einen der Sessel fallen. Sehr gedämpft war die Musik aus der Bar zu hören. Sie lauschte mit gesenktem Kopf. Vielleicht erkannte sie das Stück, mit dem Nataschas Auftritte begleitet wurden. Von der Garderobe aus hatte sie die langsamen einschmeichelnden Töne schon öfter vernommen.
    Die Klänge, die von unten heraufklangen, kamen ihr nicht bekannt vor. Wahrscheinlich war Natascha in der Garderobe beim Abschminken und Umziehen und würde gleich nach oben kommen.
    Während sie ganz still dasaß und versuchte, an nichts zu denken, spürte sie plötzlich den dumpfen Druck hinter ihrer Nasenwurzel, mit dem sich gewöhnlich einer der Kopfschmerzanfälle anzukündigen pflegte, die in letzter Zeit so erstaunlich selten geworden waren. Kopfschmerzen waren genau das, was sie in der kommenden Nacht am allerwenigsten gebrauchen konnte. Je früher sie etwas dagegen unternahm, desto besser.
    Entschlossen sprang sie auf, um in Nataschas Badezimmerschränkchen nach Schmerztabletten zu suchen. Zwar war ihr unbehaglich dabei zumute, einfach in fremden Sachen zu kramen, doch mittlerweile war Natascha eine so gute Freundin geworden, dass sie ihr die eigenmächtige Suche nach ein paar Aspirin

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