Mitternachtspicknick
den Freunden von nichts Verdächtigem berichten. Frau Jung hatte einen kurzen Spaziergang gemacht, war durch die Ställe geschlendert, um ein paar Pferde zu füttern und zu streicheln, und hatte sich dann in den Obstgarten gesetzt und gelesen. Sie hatte in ihrem Zimmer zu Abend gegessen und früh das Licht gelöscht.
»Es ist absolut nichts passiert«, sagte Angie fast etwas enttäuscht. »Aber natürlich, jeden Tag wird sie sich nicht mit ihren Komplizen treffen.«
Wegen des Ausfluges konnten am nächsten Tag nur Tom und Chris zur Beobachtung abgestellt werden.
Kurz bevor es losgehen sollte, erschien Frau Andresen im Gemeinschaftsraum.
»Kinder, ich fürchte, ihr habt Pech«, sagte sie. »Simone geht es gar nicht gut. Ihr ist sehr übel. Dem kleinen Benny übrigens auch. Ich nehme an, dass mit dem Fisch gestern Abend etwas nicht gestimmt hat.«
Alle sprangen sofort auf, besonders die Anfängergruppe machte enttäuschte Gesichter. Sie hatten sich so gefreut. Wurde nun nichts aus dem Ausritt?
Frau Andresen überlegte.
»Tom, wenn du an Stelle von Simone mitreiten würdest ...«, meinte sie zögernd.
Tom hielt sich aus dem Reitschulbetrieb am liebsten heraus, aber er nickte großzügig. »Klar. Kann ich machen.«
»Und dann noch einer von den Fortgeschrittenen«, sagte Frau Andresen. »Tina, wärest du so nett? Simone erzählte mir, du seist eine sehr gute Reiterin, daher traue ich dir diese Aufgabe zu.«
Tina nickte. Sie war sehr stolz. Wie nett von Simone, so lobend über sie bei Frau Andresen zu sprechen!
»Ich reite gern mit, Frau Andresen«, sagte sie eifrig.
Frau Andresen lächelte. »Dann ist ja alles gut. Also, ab in die Ställe! Macht die Pferde fertig. Es geht gleich los!«
Draußen auf dem Gang traf Tom Angie und Diane, die gerade mit zwei großen Picknickkörben aus der Küche kamen.
»Kartoffelsalat, hart gekochte Eier und Würstchen«, rief Angie. »Die Köchin war sehr großzügig!«
Tom erzählte rasch, was geschehen war.
»Ich sage Chris Bescheid«, versprach Diane. »Er muss eben heute früh allein die Stellung halten.«
Chris war einverstanden. Die anderen machten sich auf den Weg. Tom ritt vorneweg, die anderen folgten, und den Schluss bildete Tina auf Farino. Im Schritt ging es zum Hof hinaus, aber schon auf der Wiese fiel Toms Pferd in Trab und, als sie den Strand erreichten, begannen die Pferde von selber zu galoppieren. In weichen, großen Sprüngen jagten sie am Ufer entlang. Das Meer rauschte, und der Wind trieb den Kindern die Tränen in die Augen. Die Gischt spritzte ihnen ins Gesicht, sie schmeckten Salz auf ihren Lippen. Es war herrlich. Jeder hoffte, dieser Galopp werde nie zu Ende gehen. Jeder - bis auf Kathrin.
Sie hatte schon gleich lustlos im Sattel gesessen und plötzlich wurde ihr furchtbar übel. »Anhalten!«, schnaufte sie. »Anhalten! Bitte, Tom, halt sofort an!«
Da sie gleich hinter Tom war, konnte der sie hören. Er zügelte sein Pferd und wandte sich zu ihr um. »Was ist los, was hast du denn?«, fragte er.
Kathrin war käsebleich. »Ich weiß auch nicht, mir ist furchtbar schlecht«, jammerte sie.
Die anderen Pferde kamen von allein zum Stehen. Die Reiter betrachteten Kathrin weder mitleidig noch freundlich. Sie war so unbeliebt, dass jeder es beinahe für eine besondere Bosheit von ihr hielt, dass ihr ausgerechnet auf diesem Ausflug schlecht wurde. Den schönen Galopp hatte sie unterbrochen.
»Stell dich nicht so an«, sagte Steffi, ein drahtiges, kleines Mädchen mit scharfer Zunge, feindselig.
»Ich stell mich gar nicht an. Macht ihr doch einmal mit, was ich mitmache! Ach, Tom, ich kann einfach nicht weiterreiten!«
Tom betrachtete sie besorgt. »Du siehst wirklich elend aus«, gab er zu. »Ich glaube, du musst zurück. Tina ...«
Tina konnte Kathrin auf den Tod nicht ausstehen.
»Nein«, sagte sie entrüstet. »Nicht ich! Ich begleite sie nicht nach Hause. Auf dieses Picknick freue ich mich schon ewig!«
»Irgendjemand muss sie aber nach Hause bringen. Wir können sie mit dem Pferd nicht alleine lassen. Tina, traust du es dir zu, die Gruppe zu führen? Es ist ja nun nicht mehr weit.«
»Klar. Gar kein Problem. Sei mir nicht böse, Tom, aber ...«
»Schon gut«, unterbrach Tom. Er wandte sich an Kathrin. »Du hältst es noch aus bis nach Hause?«
»Ich muss ja wohl!« Kathrins Stimme war kläglich.
Ein bisschen tat sie Tom leid. Ihre Gesichtsfarbe war inzwischen schon beinahe grün. »Na, komm schon«, sagte er freundlich. »Wir reiten ganz
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