Mitternachtspicknick
mürrisch im Stall. Natürlich explodierte Simone.
»Dein Benehmen ist unmöglich«, sagte sie wütend. »Wenn du zum Stalldienst eingeteilt bist, hast du pünktlich zu erscheinen. Bei Pferden haben wir es mit Lebewesen zu tun, die sich darauf verlassen müssen, dass wir unsere Pflichten ihnen gegenüber erfüllen. Einen Hund oder eine Katze musst du auch regelmäßig füttern und kannst sie nicht hungern lassen, nur weil du zu faul bist, rechtzeitig aufzustehen.«
Kathrin schwieg betreten. Simone drückte ihr eine Mistgabel in die Hand. »Hier. Du machst die Box von Petronella sauber.«
Petronella war eine lebhafte Stute, vor der Kathrin gleich Angst bekam.
»Kann ich nicht lieber ...« begann sie, aber Simone schnitt ihr das Wort ab.
»Tu jetzt, was ich dir sage.«
Das klang energisch. Kathrin wandte sich schmollend ab. Sie tat ihre Arbeit, aber sie musste dabei sehr vorsichtig zu Werke gehen, denn sie trug ihre schneeweiße Reithose und wollte nicht, dass sie schmutzig wurde. Tina, die das beobachtete, grinste. Sie gab Angie und Diane ein Zeichen, dann schlich sie auf Kathrin zu und tat so, als würde sie stolpern. Sie hielt sich an Kathrin fest und schon taumelten sie beide. Engumschlungen fielen sie in den Pferdemist. Kathrin schrie auf. »Kannst du nicht aufpassen? Oh Gott, wie sehe ich denn jetzt aus?«
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Tina zerknirscht. »Ich wollte dich nicht hinwerfen, ich wollte mich nur an dir festhalten. Ach, deine schöne Reithose! Sie ist ganz verschmiert!«
Kathrin sah in der Tat komisch aus. Sie hatte zuunterst gelegen und daher am meisten abbekommen. Alle lachten, und Kathrin stiegen die Tränen in die Augen. Fast hatte sie den Verdacht, dass diese scheußliche Tina das mit Absicht getan hatte.
»Ich muss mich umziehen«, sagte sie schniefend.
In der Stalltür stieß sie mit einem Jungen zusammen.
»Wisst ihr schon das Neuste?«, schrie Benny.
Simone drehte sich um. »Nein. Aber zweifellos wissen wir es gleich.«
»Bei Herrn und Frau Stern ist heute Nacht eingebrochen worden! Das ganze Silber haben sie gestohlen und den Schmuck. Die Polizei ist schon da und sucht nach Spuren.«
»Wer sind Herr und Frau Stern?«, fragte Diane.
»Die Leute, die in dem kleinen Häuschen an der Auffahrt zur Eulenburg wohnen«, erklärte Simone. »Ursprünglich war das wohl ein Pförtnerhaus, bis es Herr Stern vor etwa fünf Jahren kaufte. Die Leute sind sehr reich.«
»Ja, aber die Polizei sagte, dass man das dem Haus nicht von außen ansieht«, sprudelte Benny, »und dass der Täter sich genau ausgekannt haben muss. Wahrscheinlich stammt er aus dieser Gegend.«
Nun war es mit der Ruhe aus. Aber während alle heftig aufeinander einredeten, blickte Kathrin nur schweigend und nachdenklich vor sich hin. Deutlich trat die vergangene Nacht in ihre Erinnerung. Die seltsamen Lichter - ob sie wohl etwas mit dem Ereignis zu tun hatten? Es war schon merkwürdig. Der Gedanke, dass sie vielleicht, ohne es zu ahnen, etwas von dem Verbrechen gesehen hatte, ließ sie plötzlich schaudern.
»Die Polizei rätselt noch, um welche Zeit die Tat begangen wurde«, sagte Benny, der offenbar alles über die Sache wusste.
Kathrin dachte nach. Sie hatte auf das Leuchtzifferblatt ihrer Armbanduhr gesehen, ehe sie aufgestanden war. Es war halb eins gewesen.
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie etwas von ihrer Beobachtung sagen sollte, aber dann fiel ihr ein, wie die anderen sie behandelt hatten, und sie presste die Lippen fest zusammen. Nein, mit denen mochte sie ihr Geheimnis nicht teilen. Lieber wollte sie allein Augen und Ohren offen halten, vielleicht konnte sie der Polizei dann einmal einen wirklich wichtigen Hinweis geben.
»So, fertig, wir können zum Frühstück gehen«, sagte Simone. »Die Neuen kommen danach gleich wieder in den Stall. Ich teile euch die Pferde zu, und dann zeigt ihr mir, was ihr könnt.«
Draußen im Hof fuhr gerade ein Pferdetransporter vor. Ein zierliches, etwa dreizehnjähriges Mädchen sprang vom Beifahrersitz, lief nach hinten und ließ die Rampe hinunter. Als sie ihr Pferd hinausführte, hielten alle den Atem an.
Es war bestimmt das schönste Tier, das je einer von ihnen gesehen hatte. Eine kleine elegante Stute mit wundervoll geschmeidigen Bewegungen und einem edlen, schmalen Kopf. Sie war kastanienbraun, Mähne und Schweif von derselben Farbe wie das Fell. Das Verwunderliche war, dass sie dem Mädchen, das sie am Zügel führte, wie eine Schwester glich. Die beiden
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