Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
mit dem Straßenbau zur Spinnerei hatte er Kit nachgegeben, obwohl es sich um unfruchbares Gelände
handelte und die Straße eine enorme Zeitersparnis gebracht hätte.
An diesem Morgen hatte Sophronia schon mit einem Eklat gerechnet. Der Major hatte Kit wochenlang gebeten, Temptation nicht mehr so hart zu reiten. Schließlich hatte er ein Machtwort gesprochen und es ihr ganz verboten. Darauf hatte Kit ihm Ausdrücke an den Kopf geworfen, die eine Frau nicht in den Mund nehmen, geschweige denn äußern sollte. Reglos schweigend hatte er ihr zugehört und sie mit versteinerter Miene gemustert. Sophronia hatte wahrhaft eine Gänsehaut bekommen.
Aber egal, wie heftig sie tagsüber aneinandergerieten, nachts fiel die Schlafzimmertür hinter den beiden ins Schloss und öffnete sich erst am nächsten Morgen wieder.
Durch das Fenster erspähte Sophronia Kit, die eben von einem Spaziergang zurückkehrte und mal wieder ihre skandalösen Reithosen trug. Sophronia hatte es restlos satt. Sie konnte es einfach nicht mehr mit ansehen. Gottlob waren ihre Sachen schon gepackt, denn Mr. Spence erwartete sie in knapp einer Stunde an der Weggabelung zur Plantage.
Sie hatte niemandem von ihren Plänen erzählt, vermutete jedoch, dass Magnus etwas ahnte. Er hatte sie beim Frühstück so merkwürdig von der Seite angesehen. Manchmal hatte sie das Gefühl, als könnte er ihre Gedanken lesen.
Einerseits war sie froh, dass er den ganzen Tag in Rutherford zu tun hatte und nicht mitbekam, wenn sie heimlich die Plantage verließ. Andererseits hätte sie ihm gern Lebewohl gesagt.
Sie hängte ihre Schürze an den Haken neben dem Spülstein. So lange sie denken konnte, hatte sie dort ihre Schürze hingehängt. Dann machte sie einen letzten Rundgang durchs Haus.
Ein eisiger Windstoß begleitete Kit, als sie das Haus durch das Hauptportal betrat, wo sie auf die junge Haushälterin traf. »Der Wind ist richtig beißend. Ich glaube, ich werde zum Abendessen Muscheln kochen.«
Für Augenblicke vergaß Sophronia, dass ihr das ab sofort völlig egal sein konnte. »Es ist fast fünf Uhr«, schimpfte sie. »Wenn du Muscheln haben willst, hättest du mir das eher sagen müssen. Patsy hat einen leckeren Pilawreis mit Okraschoten vorbereitet.«
Kit riss sich die Wolljacke von den Schultern und warf sie ärgerlich über den Treppenpfosten. »Patsy macht es bestimmt nichts aus, wenn ich Muscheln dazu koche.« Mit diesen Worten stampfte sie die Stufen hinauf.
»Ein bisschen Freundlichkeit könnte auch nicht schaden.«
Kit blieb stehen und blickte zu Sophronia hinunter. »Was soll das heißen?«
»Soll heißen, dass du seit Monaten schlecht gelaunt bist. Neulich hast du sogar Patsy angefahren.«
Sophronia hatte sie schon des Öfteren wegen ihrer gereizten Stimmung kritisiert, aber heute brachte Kit nicht die Nerven auf, sich zu verteidigen. Sie fühlte sich müde und antriebslos, nicht direkt krank, aber auch nicht richtig gut. Sie seufzte resigniert. »Also gut, wenn Patsy nicht möchte, dass es heute Abend Muscheln gibt, koche ich sie eben morgen.«
»Sag ihr das selber.«
»Wieso?«
»Weil ich dann nicht mehr hier bin.«
»Oh? Wo willst du denn hin?«
Sophronia kämpfte mit sich. Kit hatte so naiv gefragt, als hätte sie wirklich nicht den Hauch einer Ahnung. »Lass uns für ein paar Minuten in den Salon gehen. Da können wir reden.«
Mit fragendem Blick folgte Kit ihr durch die Halle. Im Salon setzte sie sich auf das Sofa. »So, und jetzt erzähl.«
Sophronia blieb unschlüssig stehen. »Ich … ich fahre nach Charleston.«
»Hättest du mir das eher gesagt, wäre ich mitgekommen. Ich muss nämlich ein paar Einkäufe erledigen.«
»Nein, nein, nicht zu Einkäufen.« Sophronia rieb sich nervös die Hände. »Ich … ich gehe für immer weg. Ich komme nicht mehr zurück nach Risen Glory.«
Kit starrte sie verständnislos an. »Natürlich kommst du wieder zurück. Du wohnst hier.«
»James Spence hat mir ein Haus gekauft.«
Kit krauste die Stirn. »Wozu macht er so was? Willst du bei ihm als Haushälterin anfangen? Sophronia, wie kannst du nur einen Gedanken daran verschwenden, von hier fortzugehen?«
Sophronia schüttelte den Kopf. »Ich fange nicht als Haushälterin bei ihm an. Ich werde seine Geliebte.«
Erschreckt umklammerte Kit die Sofalehne. »Das glaube ich dir nicht. So etwas Grässliches würdest du nie fertigbringen.«
Sophronia schob trotzig ihr Kinn vor. »Wag es ja nicht, mir Vorhaltungen zu machen!«
»Aber… aber…
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