Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Eimer und verließ den Stall.
Sie legte das Buch auf den Schemel, nahm sich einen Striegel und verschwand in der Box, in der die Fuchsstute Saratoga stand. Pah, was Cain angeordnet hatte, konnte ihr doch piepegal sein! Wenn sie sich nicht irgendwie beschäftigte, würde sie hier nämlich noch verrückt werden.
Während sie Saratogas Flanken striegelte, ging ächzend die Stalltür auf. Panisch sprang sie auf. Gute Güte, schon wieder dieser unsägliche Baron Cain. Er stand mitten im Gang und musterte sie mit versteinerter Miene.
»Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, Kit. Keine Arbeit mehr in den Stallungen.«
»Der Schöpfer hat mir zwei gesunde Arme mitgegeben«, konterte sie. »Ich kann einfach nicht untätig hier herumsitzen.«
»Pferdepflege ist nichts für junge Damen.«
Sie starrte ihn skeptisch an, ob er sich vielleicht über sie lustig machte, was aber wohl eher nicht der Fall war. »Ich bin eben der zupackende Typ. Das süße Nichtstun ist nicht meine Sache.«
»Bleib vom Stall weg«, meinte er dumpf.
Sie öffnete den Mund zum Protest, aber er war schneller. »Keine Widerrede. Ich möchte, dass du dich wäschst. Nach dem Abendbrot unterhalten wir uns in der Bibliothek.« Er drehte sich auf dem Absatz um und strebte mit langen, schwungvollen Schritten aus dem Stall.
Am Abend war Kit vor ihm in der Bibliothek. Sie hatte sich halbherzig das Gesicht gewaschen, aber mehr auch nicht. Von wegen braves, gehorsames Mädchen! Pah, da konnte er warten, bis er verfaulte.
Cain betrat den Raum kurz nach ihr. Er trug die obligatorische Reithose und ein weißes Hemd, die Kragenknöpfe lässig geöffnet. Er musterte sie kritisch. »Hatte ich nicht gesagt, du sollst baden?«
»Ich hab mir immerhin das Gesicht gewaschen.«
»Und du meinst, das reicht? Stört dich der Dreck denn nicht selbst?«
»Ich halt nicht viel vom Baden.«
»Das steht hier nicht zur Debatte. Bevor du heute Abend ins Bett gehst, wirst du ein anständiges Bad nehmen. Edith Simmons droht schon mit Kündigung, und ich verscherze es mir wegen dir doch nicht mit meiner Haushälterin. Ganz abgesehen davon stinkst du bestialisch.«
»Tu ich nicht!«
»Widersprich mir nicht dauernd. Ich bin vorübergehend zu deinem Vormund bestimmt worden, und so lange machst du gefälligst, was ich sage.«
Kit erstarrte. »Wie kommen Sie denn darauf, Yankee? Und was soll das mit dem Vormund?«
»Na, dann streng mal deine grauen Zellen an.«
»Los, spucken Sie es schon aus!«
Irgendwie schien ihm nicht ganz wohl in seiner Haut. Nach kurzem Zögern erklärte er ihr die Sache mit der Vormundschaft und dass er außerdem ihr Vermögensverwalter sei.
Kit konnte sich nur schwach an die Großmutter erinnern, die eine hohe Geldsumme für sie angelegt hatte. Der Treuhandfonds war Rosemary immer ein Dorn im Auge gewesen, und sie hatte Garrett damit ständig in den Ohren gelegen. Notgedrungen hatte er einen Anwalt nach
dem nächsten konsultiert, weil sie unbedingt an das Geld herankommen wollte. Aber ohne Erfolg. Vermutlich sollte sie ihrer Großmutter dankbar sein, seufzte Kit, aber was nutzte ihr das alles? Sie brauchte das Geld jetzt, und nicht erst in fünf Jahren oder wenn sie heiratete, was sie ohnehin nicht vorhatte.
»Die Vormundschaft ist Rosemarys süße Rache über den Tod hinaus«, schloss Cain.
»Dieser unsägliche Notar hat nichts von einer Vormundschaft erwähnt. Ich glaub Ihnen das nicht.«
»Wie ich dich inzwischen kenne, ist dein Temperament mal wieder mit dir durchgegangen. Hatte er überhaupt Gelegenheit, dir irgendetwas zu erklären?«
Sie erinnerte sich dumpf, dass sie den Notar kurzerhand vor die Tür gesetzt hatte, nachdem er sie darüber informiert hatte, dass Cain der Haupterbe sei.
»Was meinten Sie vorhin mit ›vorübergehend‹?«
»Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mir diese Verantwortung für die nächsten fünf Jahre aufhalsen lasse, oder?« Der große Held vom Missionary Ridge schauderte tatsächlich. »Gleich morgen früh fahre ich nach South Carolina, um diese unselige Geschichte ein für alle Mal zu klären. Bis zu meiner Rückkehr kümmert sich Mrs. Simmons um dich. In drei, spätestens vier Wochen bin ich wieder hier.«
Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken, damit er nicht mitbekam, wie diese zitterten. »Wie stellen Sie sich das denn vor?«
»Ich werde veranlassen, dass man die Vormundschaft auf jemand anderen überträgt, so einfach ist das.«
Sie grub die Fingernägel in die Handballen und
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