Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
fragte unschlüssig: »Und was … was ist mit Risen Glory?«
Er betrachtete seine Stiefelspitzen. »Ich werde die Plantage verkaufen.«
Kit stöhnte gequält auf. »Nein!«
Er hob den Kopf und suchte ihren Blick. »Doch, Kit. Ich sehe keine andere Lösung.«
Das klang endgültig. Damit durfte sie auch das letzte bisschen Hoffnung begraben. Tief betroffen bekam sie nicht einmal mehr mit, dass Cain kurz darauf den Raum verließ.
Eigentlich hätte Cain sich für eine lukrative Pokerrunde in einem der privaten Salons im Astor House umziehen müssen. Stattdessen ging er jedoch nervös in seinem Schlafzimmer auf und ab. Nicht einmal die Aussicht auf ein spätabendliches Rendezvous mit einer berühmten Opernsängerin konnte seine Laune heben. Momentan wuchs ihm das alles über den Kopf.
Er dachte an die veilchenblauen Augen der hübschen Amazone in seinem Haus. Vorhin, als er den Verkauf von Risen Glory in Aussicht gestellt hatte, hatten diese ihn mit Todespanik angesehen.
Plötzlich hörte er das Splittern von Glas und einen gellenden Schrei seiner Haushälterin. Fluchend lief er durch den Gang.
Das Bad befand sich in einem katastrophalen Zustand. Rings um die Kupferwanne herum lagen Glasscherben und einzelne Kleidungsstücke verstreut. Der Inhalt einer Puderdose verteilte sich großzügig über das Marmorbecken und den Waschtisch aus edlem Walnussholz. Nur das Wasser in der Wanne war jungfräulich rein und schimmerte mattgolden im flackernden Lichtkegel der Gaslampen.
Kit hielt Mrs. Simmons mit einem Spiegel auf Abstand, dessen Griff sie wie einen Säbel gepackt hatte. Mit der anderen Hand umklammerte sie das Badetuch, das ihre Blößen bedeckte, während sie die bedauernswerte Haushälterin
zur Tür scheuchte. »Raus hier! Niemand kann mich zwingen zu baden!«
»Zum Teufel, was ist jetzt wieder los?«
Mrs. Simmons packte ihn am Arm. »Diese Verrückte will mich umbringen! Sie hat eine Flasche Badesalz nach mir geworfen! Und meinen Kopf nur knapp verfehlt!« Sie warf die Hände vors Gesicht und stöhnte. »Oh nein, ich bekomme wieder einen Migräneanfall.«
»Dann legen Sie sich ein bisschen hin, Edith.« Cain warf Kit einen eisigen Blick zu. »Ich mach das schon.«
Die Haushälterin war zu aufgebracht, um zu protestieren, dass es unschicklich sei, wenn er allein mit seiner nackten Schutzbefohlenen zurückbliebe. Stattdessen flüchtete sie leise zeternd durch den Gang.
Cain war klar, dass sich hinter Kits Aufsässigkeit Angst verbarg. Er überlegte kurz, ob er das mit dem Bad fallen lassen sollte, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Damit tat er ihr bestimmt keinen Gefallen. Sie würde lernen müssen, dass nicht immer alles nach ihrem Willen ging, sondern sie sich in bestimmten Situationen zu fügen hatte. Ansonsten würde sie im Leben kläglich scheitern. Er seufzte. Zu dumm, dass ausgerechnet er momentan derjenige war, der ihr das beibringen musste.
Unschlüssig öffnete er die Manschettenknöpfe und rollte die Hemdsärmel hoch.
Prompt klebte Kits Blick auf den gebräunten, sehnigen Unterarmen. Sie wich mechanisch zurück. »Was machen Sie da?«
»Schon vergessen? Du solltest ein Bad nehmen.«
Sie schluckte trocken und sah weg. Angezogen fiel es ihr schon schwer genug, seinem Blick standzuhalten, aber jetzt, lediglich in ein Handtuch gewickelt, war es unmöglich. Wenn sie ihren Revolver noch hätte, würde sie jetzt ohne Skrupel abdrücken.
Sie leckte sich über die Lippen. »Sie… Sie gehen jetzt besser.«
Seine Augen bohrten sich in ihre. »Ich hatte dich gebeten, ein Bad zu nehmen. Und genau das wirst du jetzt tun.«
Drohend schwenkte sie den Perlmuttspiegel in der Hand. »Kommen Sie mir ja nicht zu nahe. Als ich vorhin das Badesalz nach Mrs. Simmons geworfen habe, hab ich absichtlich daneben gezielt. Aber diesmal fackel ich nicht lange.«
»Du solltest endlich erwachsen werden«, sagte er betont ruhig.
Ihr Herz raste. »Ich meine es ernst, Yankee! Keinen Schritt näher.«
»Du bist achtzehn und damit alt genug, dich wie eine erwachsene Frau zu benehmen. Dich mit mir anzulegen ist eine Sache. Aber wie kannst du die arme Mrs. Simmons, die dir nie etwas getan hat, so erschrecken?«
»Sie hat mir meine Anziehsachen weggenommen, als ich einen kurzen Moment lang nicht aufpasste! Und… und dann hat sie mich hierher geschleift!«
Kit war nach wie vor schleierhaft, wie Mrs. Simmons es geschafft hatte, sie ins Bad zu bugsieren. Allerdings war sie wie betäubt gewesen, nachdem Cain den
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