Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Sonnenlicht. Frische Farbe, Bienenwachs und intensive Pflege hatten das Haus wieder zu einem Schmuckstück gemacht.
Bisweilen fragte sie sich, wozu sie sich dermaßen abrackerte. Sie arbeitete sich die Finger wund für diesen
Mann, als hätte es nie einen Krieg und die Abschaffung der Sklaverei gegeben. Aber jetzt bekam sie Geld dafür. Ein sehr gutes Gehalt, um das sie gewiss viele Haushälterinnen beneideten. Trotzdem war Sophronia unzufrieden.
Sie betrachtete ihr Spiegelbild in der blank gewienerten Fensterscheibe. Sie sah besser aus als je. Durch die regelmäßigen Mahlzeiten waren ihre hageren Wangen wieder etwas weicher geworden, ihre Formen weiblicher. Die üppig gelockten Haare hatte sie zu einem Knoten am Hinterkopf festgesteckt. Die elegante Frisur ließ sie mit ihren fast ein Meter achtzig noch größer wirken, was sie durchaus positiv fand. Mit ihren exotischen, goldschimmernden Mandelaugen und der milchkaffeebraunen Haut mutete sie wie eine jener geheimnisvollen Schönheiten an, die in einem der Bücher in der Bibliothek abgebildet waren.
Missfällig betrachtete sie ihr schlichtes Kleid. Sie wünschte sich maßgeschneiderte Garderobe. Parfüms und edle Seide, Champagner aus funkelnden Kristallgläsern. Aber vor allem wünschte sie sich ein eigenes Heim, eines jener schönen pastellfarbenen Häuser in Charleston, wo sie eine Zofe hätte und sich sicher und geborgen fühlte. Sie wusste genau, was sie dazu tun musste. Allerdings kostete sie dieser Schritt innere Überwindung. Statt nämlich Haushälterin eines weißen Mannes zu sein, würde sie seine Geliebte werden müssen.
Abends, wenn sie Cain das Essen servierte, wackelte sie verführerisch mit den Hüften und drängte ihre Brüste an seinen Arm, sobald sie den Teller vor ihn stellte. Sicher, er war attraktiv und zweifellos höflich und nett zu ihr. Trotzdem fühlte sie sich unbehaglich in Gegenwart dieses hünenhaften, dynamischen Weißen. Dessen ungeachtet befeuchtete sie sich ständig die Lippen, dass sie sinnlich
glänzten, ihr Blick eine stumme Einladung. Kurzum, sie versuchte es mit allen Tricks, die sie sich notgedrungen angeeignet hatte.
Unvermittelt tauchte Magnus Owen vor ihrem geistigen Auge auf. Zur Hölle mit diesem Mann! Eine Unverschämtheit, wie er sie aus dunklen Tiefen fixierte, beinahe so, als täte sie ihm leid! Grundgütiger, dass sie nicht lachte. Magnus Owen, der sie mit jeder Faser seines Körpers begehrte, besaß auch noch die Frechheit, Mitgefühl für sie zu empfinden!
Sie schauderte bei der Vorstellung, wie sich helle Schenkel um ihre goldbraunen schlangen. Ärgerlich verscheuchte sie das Bild.
Glaubte Magnus Owen tatsächlich, dass sie etwas mit ihm anfangen würde? Mit ihm oder einem anderen Farbigen? Wozu, meinte er wohl, hatte sie den Damen in Rutherford die feinen Manieren und die gewählte Ausdrucksweise abgeschaut? Um dann bei einem ehemaligen Sklaven zu landen, der ihr keine Zukunft bieten konnte? Undenkbar. Und schon gar nicht bei einem Schwarzen, dessen Blick sich bis in die tiefen Abgründe ihrer Seele zu bohren schien.
Sie steuerte in die Küche. Bald bekäme sie all das, was sie sich wünschte – ein Haus, Seidenkleider, Sicherheit. Und sie würde es sich in der Weise verdienen, indem sie sich einem weißen Mann hingab. Der einflussreiche Baron Cain würde sich bestimmt nicht lumpen lassen.
Gegen Abend zog ein Unwetter auf. Ein heftiger Februarsturm heulte um die Kamine und rüttelte an den Läden, als Sophronia vor der Bibliothek stand. In einer Hand trug sie das silberne Tablett mit der Brandyflasche und einem Kristallschwenker. Mit der anderen öffnete sie die obersten Knöpfe ihres Kleides, so dass die Rundungen ihrer Brüste aufreizend hervorwogten. Zeit für den nächsten
taktischen Schritt. Dann atmete sie tief ein und betrat den Raum.
Cain blickte von den Rechnungsbüchern auf dem Schreibtisch auf. »Du kannst wohl Gedanken lesen, hm?«
Er erhob sich aus dem Ledersessel und streckte seine müden Gliedmaßen. Sie wich keinen Schritt zurück, als er hinter dem Schreibtisch hervorkam, geschmeidig wie eine Raubkatze. Er arbeitete schon seit Monaten vom frühen Morgen bis spät in der Nacht und sah müde aus.
»Es ist kalt heute Abend«, sagte sie und stellte das Tablett auf den Sekretär. »Da dachte ich mir, dass Sie etwas gebrauchen könnten, was Sie warm hält.« Wie um die Bedeutung ihrer Worte zu unterstreichen, glitt ihre Hand zu dem frivol geöffneten Kragen ihres Kleides.
Sobald er sie
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