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Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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immer noch den blöden Brief von Hamilton Woodward im Hinterkopf. Kit ärgerte sich maßlos, dass er sie für leichtlebig hielt. »Nein, ich hab mich splitternackt ausgezogen und mich ihm an den Hals geworfen. Ist es das, was Sie wissen wollten?«
    Cain schob seinen Teller zurück. »Du hast dich zu einer bemerkenswert schönen Frau entwickelt, Kit. Und du bist unbesonnen. Eine gefährliche Kombination.«
    »Wir haben über Politik geredet. Darüber, wie die Bundesregierung mit South Carolina umspringt.«
    »Kann ich mir lebhaft vorstellen. Euer Gejammere, was die bösen Yankees eurem armen Land angetan haben. Das Gestöhne über die ungerechtfertigte Besetzung – daran habt ihr natürlich nicht den Hauch einer Schuld. Ihr zwei seid mir schon ein schönes Paar.«
    »Wie kann Sie das bloß alles so kalt lassen? Sie sehen doch das Elend ringsherum. Die Leute, denen man alles genommen hat. Ihren Grund und Boden. Ihre Ersparnisse. Ihre Heimat. Die Yankees haben sich den Süden komplett einverleibt.«
    »Ich darf dich an ein paar schmerzliche Fakten erinnern, die du wohl vergessen hast.« Er griff zu der Brandy-Karaffe auf dem Tisch, aber statt sich einzugießen, spielte er abwesend mit dem Kristallstopfen herum. »Es war nicht die Union, die diesen Krieg angefangen hat, sondern das Kanonenfeuer der Südstaatler in Fort Sumter. Ihr habt den Krieg verloren, Kit. Auf Kosten von sechshunderttausend Menschenleben. Und da erwartest du, dass alles wieder so ist wie früher?« Er musterte sie abfällig. »Du sprichst von Not und Elend. Ihr solltet dankbar sein, dass die Bundesregierung so gnädig mit euch umgesprungen ist.«
    »Gnädig?« Kit sprang auf. »Das nennen Sie gnädig?«
    »Du hattest doch Geschichtsunterricht in der Schule, oder? Na, siehst du.« Cain war ebenfalls aufgestanden. »Nenn mir irgendeine Siegernation, die sich derart großzügig verhalten hätte. Hättet ihr nicht zu den Vereinigten Staaten gehört, wären nach Appomatox Zigtausende als Verräter hingerichtet worden oder würden jetzt in den Gefängnissen schmoren. Stattdessen gab es eine Generalamnestie, und die Südstaaten werden wieder in die Union aufgenommen. Also komm mir nicht damit.«
    Sie umklammerte die Stuhllehne, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. »Anscheinend hat Ihnen das Blutvergießen noch nicht ausgereicht. Was sind Sie eigentlich für ein Mensch, dass Sie dem Süden noch mehr Elend an den Hals wünschen, als er jetzt schon verkraften muss?«
    »Ich will nicht noch mehr Elend. Im Gegenteil, ich unterstütze die umsichtige Vorgehensweise der Bundespolitiker. Aber du kannst nicht von mir erwarten, dass ich Mitleid mit euch habe, weil ihr hier im Süden euren Besitz eingebüßt habt.«
    »Nein, Sie profitieren schließlich davon.«
    »Soldaten starben in meinen Armen«, sagte er leise. »Und nicht immer trugen sie blaue Uniformröcke.«
    Aufgebracht ließ sie den Stuhl los und rauschte hinaus. In ihrem Zimmer sank sie auf den Schemel vor der Frisierkommode.
    Cain hatte ja keine Ahnung! Er vertrat einzig und allein die Perspektive der Nordstaaten. Trotzdem schien er genauso betroffen wie sie. Ihr schwirrte der Kopf. Am liebsten hätte sie sich hingelegt. Allerdings hatte sie noch eine Mission vor sich, die keinen Aufschub duldete.
    In der Nacht, als alles ruhig war, schlich sie sich nach unten in die Bibliothek, wo sie sich die in Kalbsleder gebundenen Wälzer vorknöpfte – Cains Rechnungsbücher für die Plantage.

11
    Während der nächsten Wochen riss der Besucherstrom nicht ab. In besseren Tagen waren die Frauen hübsch gekleidet und in eleganten Kutschen vor Risen Glory vorgefahren. Jetzt kamen sie mit holprigen Pferdewagen oder auf irgendwelchen altersschwachen Karren. Trotz ihrer schäbigen Kleider und der altmodischen Hauben hatten sie ihren früheren Stolz nicht eingebüßt.
    Skeptisch, dass ihre Garderobe zu extravagant sein könnte, kleidete Kit sich anfangs betont schlicht. Was ihre Besucherinnen wohl schwer enttäuschte. Ständig schwärmten sie von dem hübschen zartvioletten Kleid, das Kit in der Kirche getragen hatte. War ihr Hut eigentlich aus Taft oder Seide gewesen? Sie wussten um die Gerüchte, die vom Dienstmädchen über die Köchin bis zu der alten Fischverkäuferin vorgedrungen waren: Kit
Westons Kleiderschrank enthielt wunderschöne Roben in allen Formen und Farben. Die Frauen lechzten nach schöner Mode und wollten alles sehen.
    Als Kit das klar wurde, gab sie ihrem Herzen einen Stoß. Ab da trug sie

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