Mitternachtsspuren - Mignani, L: Mitternachtsspuren

doch selbst eine Bedrohung für sie dar. Es wäre besser, wenn Lior ihn ablöste. Sein Herz schlug viel zu schnell, dicht gefolgt von gefährlichen Empfindungen, die durch sein Bewusstsein rasten.
    „Er war zärtlich.“ Sie blickte ihm in die Augen, drückte ihre Wange gegen seine. „Ich weiß nicht, wie ich weiterleben soll.“
    Bei allem, was Kendrick heilig war, er seufzte erleichtert auf, als sie einschlief. Seine Beherrschung erlangte ein Ende, denn das Biest reagierte auf ihr Leid, kämpfte in ihm, um die Überhand zu gewinnen.
    Wenn er nur in das
Sugar and Chili
gehen könnte, dort warteten willige Opfer auf ihn, sie würden seinen Verstand in die richtige Spur bringen.
    Er wagte es nicht, sie allein zu lassen. Das Cottage bot Schutz vor den Angelus, das galt jedoch nicht für die Meduris. Die Schutzglyphen wirkten bei ihr nicht. Es bestand die Gefahr, dass sie das Grauen hereinbat, in diesem Fallhalf keine Glyphe. Die Glyphen hatten Una nicht gerettet. Was, wenn das Böse sie in dem Cottage vergiftet hatte, und nicht draußen, wie er angenommen hatte? Als sie tief schlief, ging er in das Atelier hinüber. Seine Gestalt schimmerte. Er griff nach der schweren Lederjacke aus der Haut des Draguls, eines Höhlendrachens, und zog sie über. Sie wusste nicht, was sie da erschaffen hatte. Sobald sie auf seiner Haut lag, schmiegte sie sich federleicht als Schutzrüstung an seinen Körper. Sie musste sie noch aktivieren.
    Bald würde Morven sich vor Aufträgen nicht mehr retten können. Dann schnaubte er. Wie zum Henker war sie an das Leder gekommen?
    Morven löste die Leine von seinem Halsband. Um ihr Misstrauen zu besänftigen, schnüffelte er im Gras herum. Der Wald jagte ihr Angst ein und sie schlug den Weg zu den Feldern ein. Brians Tod setzte ihr zu. Er bedauerte ihren Schmerz, nicht den Tod von Brian, verstand nicht, was sie an diesem Würstchen gefunden hatte. Mitleid und Trauer stellten ein vergangenes Gefühl für ihn dar. Dennoch missfiel ihm ihre Traurigkeit. Er suchte nach einer Erklärung für sein Verhalten. Wahrscheinlich amüsierte ihn ihre Tollpatschigkeit und er verwechselte es mit Zuneigung. Gerade stolperte sie über einen Stein.
    Kendrick spitzte die Ohren, er hörte Gelächter, das schnell näher kam - drei angetrunkene junge Männer. An Morvens Haltung erkannte er, dass es nicht die erste Begegnung war. Sie bestätigte seine Vermutung, denn sie rief nach ihm und packte sein Halsband, wirkte ängstlich und gleichzeitig wütend. Die Radfahrer kamen um die Kurve, in früheren Zeiten lautstarke Jugendliche, die sich beweisen wollten. Heutzutage prägte sie Gewaltbereitschaft. Fehlende Wertvorstellungen entschuldigten Aggressivität. Vielen Eltern war es zu mühsam, sich durchzusetzen. Kendrick rollte fast mit den Augen. Die Typen waren nicht nur alkoholisiert, sondern high und nicht durch einen Joint.
    „Wenn das nicht die kleine Hexe ist“, tönte der Größte von den Dreien, als sie anhielten und ihnen den Weg versperrten. Dumm waren sie zudem. Weitere Worte gingen in einem Gurgeln unter. Kendrick riss ihn mit einem Satz vom Rad, umfasste seine Kehle mit den Zähnen. Er bohrte sie in die Haut des Pickligen, kurz davor, sie zu durchstoßen. Wenn er wollte, könnte er alle drei in wenigen Wimpernschlägen töten oder ihren Tod tagelang hinziehen.
    Pickel beging den Fehler, nach einem Springmesser zu greifen. Kendrick schnappte zu, durchbrach die Haut und das Messer fiel auf den Boden. Kreischend hielt sich der Aschblonde das Handgelenk, jegliche Aggression wich aus seinem Körper, verdrängt von Schmerz. Morven hob das Messer mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen auf. Die beiden anderen rührten sich nicht von der Stelle, was lag daran, dass der ganze Vorfall sich in Sekunden ereignet hatte.
    „Was ist?“, brüllte Morven. „Macht ihr diesmal keine Bemerkungen über meine Brüste und was ihr gerne mit mir tun würdet, ihr verdammten Feiglinge?“
    Sie baute sich zitternd vor den Jungen auf. Er befürchtete, sie würde sie schlagen. Mit einem klickenden Geräusch aktivierte sie die Klinge. Sie fuchtelte mit dem Messer vor ihren Gesichtern herum, pures Entsetzen stand auf den Mienen. Er konnte es ihnen nicht verdenken.
    „Ich will nicht wissen, was ihr damit vorhattet.“ Sie blickte dem Dunkelhaarigen in die Augen. Er konnte dem Blickkontakt nicht standhalten und sah zu Boden. Kendrick plante, den Dreien einen Besuch in seiner wahren Gestalt abzustatten, sicherzustellen, dass sie nie