Mitternachtsspuren - Mignani, L: Mitternachtsspuren
gnädiger Dunkelheit versank.
Nosferat reichte ihm eine weitere Decke.
„Das Frieren ist eine Reaktion auf den starken Stress. Wenn sie das nächste Mal aufwacht, wird sie sich besser fühlen und in der Lage sein, sich mit dem Erlebten auseinanderzusetzen.“
Unbewusst strich Kendrick über ihre Wange und zog abrupt seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. Er musste es sofort stoppen. Der Fluch wütete brennend in ihm.
Daingit! Er begab sich auf dünnes Eis. Es gab für ihn nur ganz oder gar nicht. Er bevorzugte das Letztere und durfte es nicht zulassen.
Zornig erwiderte er Nosferats Blick. Er fasste es nicht, der Oberste sah zufrieden aus. Als ob alles nach seinem Willen verlief und er jetzt den nächsten geplanten Spielzug unternehmen könnte. Schon öffnete Nosferat den Mund.
„Wir binden Taran an sie und rauben den Angelus jegliche Grundlage, einen Anspruch auf sie zu erheben. Er hat sich bereit erklärt, das Ritual auszuführen. Wir können sie nicht sich selbst überlassen.“
Die Worte waren ungeheuerlich.
Mit Mühe hielt Kendrick sich davon ab, ihm die Faust ins Gesicht zu rammen. Es wäre ihm nicht gut bekommen. Allein die Vorstellung, dass ein anderer Lugus sie intim und lustvoll berührte, erfüllte ihn mit Zorn. Ausgerechnet Taran, er war eine wahre Bestie. Wie konnte Nosferat auf diesedämliche Idee kommen?
Anstatt ihn zu schlagen, begnügte er sich mit einem Schnauben. Die Worte kamen aus seinem Mund, bevor er realisierte, dass er längst beschlossen hatte, was zu tun war.
„Ich binde sie an mich.“ Die Worte erfüllten ihn mit Panik, aber noch schlimmer wäre es, Morven jemand anderem zu überlassen.
Nosferat schlug ihm auf den Rücken, kraftvoll, und er taumelte nach vorn.
„Du weißt, dass es ihr nicht gefallen wird. Frauen sind nicht mehr unterwürfig und gehorsam. Vielleicht hasst sie dich für das, was du ihr antun wirst. Sie wird dich reizen, um deine Beherrschung zu testen.“
Kendrick verzog seine Mundwinkel.
Dann sollte sie ihn hassen. Er würde sie nicht auf diese Weise anrühren und seinen Hunger konnte er weiter im Club stillen.
Glaubte er eigentlich, was er da dachte?
Nosferats Ausdruck erweckte in ihm abermals den Wunsch, ihm das süffisante Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen. Und er wusste es. Amüsiert zog der Oberste die Augenbrauen hoch.
„Sie ist hübsch und hat genau das richtige Maß an Weichheit. Fast beneide ich dich.“
Kendrick blinzelte, während er Nosferat anstarrte.
Lior betrat das Zimmer, er stach nicht nur durch die blonden Haare aus der Menge. Er bewegte sich mit der Sicherheit eines Mannes, der unzählige Kriege bestritten hatte und die Dinge regelte, ohne zu verlieren.
„Du willst sie an dich binden?“ Er redete niemals um den heißen Brei herum.
Kendrick nickte. „Schnellstmöglich.“
„Kaum zu glauben, dass in dieser kleinen Person dermaßen viel Macht steckt“, sagte Lior.
„Ich habe selten einen größeren Tollpatsch gesehen. Es wird mühselig sein, sie auszubilden.“ Nosferat schmunzelte. „Diese Ehre gebührt dir, Kendrick. Dàn wird dir helfen.“
Als die beiden Lugus den Raum verließen, durchfuhr es ihn glühend. Nosferat hatte ihn reingelegt. Er hatte zu keiner Zeit beabsichtigt, Taran an Morven zu binden. Lior hatte es gewusst. Jetzt, wo er es ausgesprochen hatte, konnte er nicht zurück. Einmal gesagt waren die Worte bindend und setzten das Nasgadh in Gang. So ein verfluchter Mist.
Und eine wahnsinnige Stimme tief in ihm freute sich über die Wendung, die die Ereignisse nahmen. Er hatte keine Ahnung, wieso, denn ließ er sich auf Morven ein, war nur sie fähig, die Bestie in ihm zu beruhigen, sobald er auch nur einen Anflug von Zuneigung für sie empfand.
Morven holte tief Luft, bevor sie genug Mut hatte, die Augen erneut aufzuschlagen.Sie lag nicht mehr in einem Krankenzimmer, sondern in einem bequemen Bett und erfasste das Interieur.
Parkettboden, cremefarbene Wände, zwei weinrote übergroße Sessel, ein passender Läufer und bodentiefe Fenster rundeten das Bild ab. Es besaß einen offenen Kamin. Sie war gestorben und dieser Ort fungierte als ihr persönlicher Himmel, ein Zimmer in einem Wellnesshotel. Sie stöhnte auf, es fühlte sich alles zu echt an, ihr schmerzender Körper erinnerte daran, dass sie nicht träumte.
Wo zum Teufel war sie? Wenigstens lebte sie. Als das Engelding sie angefallen hatte, rechnete sie nicht damit, zu überleben. Zaghaft tastete sie nach ihrem Hals, überrascht, dass kein
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