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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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wiederholte Oberholzer finster und rollte
dabei mit den eigenen Augen. »Okay, ich habe angebissen.
Was ist mit seinen Augen?«
»Sie sehen tot aus«, sagte Hernandez. »Ich meine wirklich
tot. Wie die einer Leiche.«
Genau deshalb bin ich Sergeant, und du nicht, dachte
Oberholzer bei sich, doch bis er oben an der 82. Straße ankam,
hatte er diesen Gedanken schon wieder aus seinem Gedächtnis
getilgt.

35. Kapitel
    Biddle Institut… 82. Straße West… Biddle Institut… 82. Straße
West… Biddle Institut… 82. Straße West… Immer wieder sagte
Ryan die gleichen Worte laut vor sich hin, aus Angst, den
Namen des Krankenhauses zu vergessen, in dem seine Mutter
lag, oder die Adresse. Doch jetzt hatte er noch mehr Angst,
dass Tony Fleming ihn erwischen würde.
    Als er die Falltür entdeckt hatte, war sein spontaner Impuls
gewesen, hindurchzuklettern und herauszufinden, ob sich
dahinter ein Weg aus dem Haus befände. Doch die Dunkelheit
hinter diesem schmalen Spalt war so undurchdringlich, dass
Ryan schon beim bloßen Hindurchspähen eine Gänsehaut
überlief und er sich lebhaft vorstellen konnte, welche Gefahren
dahinter lauern könnten. Da gab es sicher Ratten; erst vor ein
paar Tagen hatte er eine am Abflussgraben entdeckt, der um
das ganze Gebäude herumführte. Und natürlich Spinnen und
Kakerlaken. Vielleicht sogar Schwarze Witwen. Ryan hatte
alles über diese Spinne in einem Buch über giftige Insekten
gelesen, das er im letzten Sommer in der Bücherei entdeckt
hatte, und es schien, als sei die Schwarze Witwe wirklich eine
der gefährlichsten Spinnen, die in dunklen Ecken hausten, wo
man sie nicht sehen konnte. Fledermäuse könnte es auch
geben, doch da war er sich nicht so sicher. Aber mit Ratten,
Kakerlaken und Spinnen musste er unbedingt rechnen.
    Abermals überlief ihn bei der Vorstellung, was sich in der
tintenschwarzen Dunkelheit alles tummeln könnte, eine
Gänsehaut, und er kletterte wieder vom Regal runter, um in den
Schubladen nach seiner Taschenlampe zu suchen, die er
manchmal benutzte, um noch heimlich unter der Decke zu
lesen. Er knipste sie an, und zu seiner Erleichterung leuchtete
die Birne hell auf. Er wollte gerade den Schrank zumachen, als
ihm das Messer einfiel, das ebenfalls in der Lade lag. Es war
kein großes Messer, und auch wenn die feinen Schnitzereien
am Griff schon größtenteils abgewetzt waren, gehörte das
Messer zu Ryans Lieblingsschätzen. Es hatte seinem Vater
gehört, und er konnte sich noch gut daran erinnern, wie dieser
ihm gezeigt hatte, wie er die Klinge an einem Wetzstein
schärfen musste, bis sie so scharf war, dass man sich damit in
den Finger schnitt, ohne es zu merken. Er durfte das Messer
nicht mit sich herumtragen, denn wenn er es in der Hosentasche vergaß und mit in die Schule nahm, würde man ihn auf
der Stelle hinausschmeißen. Doch als er wieder mit Schaudern
an all die Krabbeltiere in dem Raum über dem Schrank dachte,
schob er das Messer in die Tasche.
    Jetzt kletterte er wieder in das Regal hinauf und spähte noch
einmal durch den Spalt. Doch diesmal schnitt der Strahl der
Taschenlampe eine Schneise in die Dunkelheit, und obwohl er
sicher war, etwas weghuschen gesehen zu haben, war die ganze
Sache längst nicht mehr so gruselig wie zuvor.
    Zwischen seiner Zimmerdecke und den Balken, die das
obere Stockwerk trugen, war ein Zwischenraum von gut einem
halben Meter. Nicht hoch genug, um aufrecht zu gehen, doch
ausreichend Platz, um auf allen vieren zu kriechen. Alle Arten
von Rohren liefen durch diesen Zwischenraum; manche sahen
aus, als wären sie schon ewig hier, andere wiederum wirkten
ganz neu. Dann, als er den Strahl der Taschenlampe dorthin
richtete, wo der hintere Teil seines Zimmers lag, sah er etwas,
was dort eigentlich nicht hingehörte.
    Obwohl es völlig unsinnig war, sah es so aus wie drei
Stufen, die von seiner Zimmerdecke den halben Meter hoch
zum Boden des darüber liegenden Stockwerks führten. Aber
das ergab doch keinen Sinn – warum sollte jemand in diesem
engen Zwischenraum eine Treppe bauen? Er hatte die Frage
kaum zu Ende gedacht, da wusste er auch schon die Antwort.
    Ein Geheimgang! Na klar – was sollte es sonst sein?
Alle Angst war vergessen, als er so schnell und so leise wie
möglich über die rauen Bodenbretter kroch, die Taschenlampe
in einer Hand und den Kopf eingezogen, damit er sich nicht
oben an den Balken stieß. Kurze Zeit später kauerte er vor
einer schmalen Treppe,

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