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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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dass ihr Leben vielleicht doch nicht völlig
aussichtslos war. Zwar hatte sich an ihrem Leben nichts
geändert (abgesehen davon, dass sie um ein paar Dollar ärmer
war als noch vor drei Stunden), doch die kurze Verschnaufpause von den ständigen Sorgen hatte ihr irgendwie zu der
Hoffnung verholfen, dass sie alle miteinander überleben
würden. Und während sie durch den Frühlingsabend nach
Hause schlenderte, konnte sie sich beinahe vorstellen, dass
Brad noch bei ihnen war, dass er hinter ihr ging und sie
beobachtete. »Ich mag es, wie deine Hüften sich beim Gehen
bewegen«, hörte sie Brad in ihrer Erinnerung ihr ins Ohr
flüstern, ehe er ein paar Schritte zurückfiel, um sie besser
beobachten zu können. Aber er hatte ihr nichts ins Ohr
geflüstert, und er war auch nicht bei ihnen. Sie bildete sich nur
ein, dass er sie beobachtete.
Als sie dann in die 76. Straße abbogen, nur noch einen
Häuserblock von ihrer Wohnung entfernt, wurde das Gefühl,
dass Brads Augen sie beobachteten, so stark, dass sie einen
Blick über die Schulter warf. Für den Bruchteil einer Sekunde
glaubte sie eine Bewegung wahrgenommen zu haben, doch der
Gehsteig war leer, und sie entschied, dass es der Wind gewesen
sein musste, der die Blätter der Bäume entlang der Straße
geschüttelt hatte. Als sie die Amsterdam Avenue überquerten
und die letzten Meter zurücklegten, überkam sie erneut dieses
Gefühl, beobachtet zu werden, und sie drehte sich noch einmal
um.
Und wieder nahm sie eine Bewegung wahr.
Die Blätter?
Vielleicht eine Katze oder ein Eichhörnchen?
Oder vielleicht jemand, der sich blitzschnell in den
schützenden Schatten eines Hauseingangs verkrochen hatte?
Sie beschleunigte ihren Schritt, wollte ihre Kinder in der
Sicherheit der Wohnung wissen.
Das Ganze war sicherlich nur Einbildung. Wer sollte ihr
denn folgen?
Jetzt begannen ihre Gedanken zu rasen, und obwohl sie sich
im Stillen vorbetete, dass das Ganze lächerlich war – dass die
Straßen von Manhattan so sicher waren wie seit Jahren nicht
mehr –, musste sie sich ernsthaft zusammenreißen, nicht
loszurennen.
Jetzt raste auch ihr Herz, und ihre Nervosität schien auf die
Kinder abzufärben.
»Was ist denn los, Mom?«, fragte Laurie.
»Nichts«, antwortete Caroline ein bisschen zu schnell. »Mir
ist nur ein wenig kalt. Ich freue mich auf zu Hause.«
Dann standen sie vor der Eingangstür, und während Caroline
in ihrer Tasche nach dem Schlüssel kramte, spähte sie die
Straße entlang und suchte sie nach irgendeinem Anzeichen für
Gefahr ab.
Aber da war nichts.
Sie fand den richtigen Schlüssel, drehte ihn im Schloss, und
kurz darauf befanden sich die Kinder und sie in der Sicherheit
des Hauses. Ehe sie den Aufzug holte, vergewisserte sie sich,
dass die Außentür verriegelt und die innere Tür abgeschlossen
war. Und obwohl sie sich selbst lächerlich dabei vorkam,
konnte sie nicht umhin, sich noch dreimal umzusehen, bis der
Aufzug endlich kam. Erst als sie alle in der Wohnung waren,
und sie die Tür abgeschlossen und die Kette vorgelegt hatte,
entspannte sie sich ein wenig. Während die Kinder sich fürs
Zubettgehen fertig machten, schaltete sie nicht nur sämtliche
Lichter aus, sondern prüfte auch, ob alle Fenster geschlossen
und verriegelt waren. Schließlich ging sie in Lauries Zimmer,
wünschte ihr eine gute Nacht, brachte dann Ryan zu Bett, und
als sie sich über ihn beugte, um ihm einen Gutenachtkuss zu
geben, schlang er seine Arme um ihren Hals und zog sie zu
sich herab.
»Mom?«, flüsterte er. »Stimmt was nicht?«
Caroline erstarrte für einen Moment, aber dann drückte sie
ihn beruhigend. »Aber nein«, versicherte sie ihm. »Es ist alles
in bester Ordnung. Aber morgen ist wieder Schule, und du
solltest schon längst schlafen.« Sie deckte ihn zu, knipste das
Licht aus, ließ aber seine Tür einen Spalt offen, so dass das
Nachtlicht im Flur noch in sein Zimmer scheinen konnte. Noch
einmal überprüfte sie die Wohnungstür und die Fenster, ehe sie
sich in ihr Schlafzimmer zurückzog. Dort machte sie ebenfalls
das Licht aus, ging zum Fenster und schaute auf die Straße
hinunter.
Sie sah nichts.
Und da ist auch nichts, sagte sie sich. Ich bilde mir das nur
ein.
    Als sie schließlich die Vorhänge zuzog und die Kleider
ablegte, wusste sie, dass sie wieder einer schlaflosen Nacht
entgegensah.
    Währenddessen trat eine Gestalt aus dem Hauseingang des
Gebäudes genau gegenüber von dem Wohnhaus, in

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