Mitternachtsstimmen
Portier.
Die eigentliche Haustür führte in ein kleines Vestibül, wo
sich die Briefkästen befanden, ein Klingelbrett und ein kleiner
Lautsprecher.
Keine Überwachungskamera, so weit er sehen konnte.
Dem Klingelbrett entnahm er, dass Andrea Costanza in der
fünften Etage im Apartment E wohnte.
Er beobachtete das Wohnhaus eine halbe Stunde lang.
Niemand hatte es betreten, niemand verlassen. Dann, innerhalb
von nur zehn Minuten, waren sieben Leute gekommen: zwei
Paare, dann drei einzelne Leute. Alle hatten sie eine Klingel am
Ende des ersten Drittels des Klingelbretts gedrückt.
Der Mann ließ noch zehn Minuten verstreichen, dann streifte
er ein Paar Einweghandschuhe über, überquerte die Straße,
betrat das Vestibül und drückte rasch auf vier Klingelknöpfe.
Als eine unfreundliche Stimme aus dem knisternden
Lautsprecher wissen wollte, wer er sei, summte der Türöffner.
Rasch stieß der Mann die innere Tür auf und schlüpfte ins
Haus. Einen Moment später fiel die Tür wieder zu und schnitt
die Stimme ab, die noch immer durch den Lautsprecher
knisterte.
Der Mann ließ den Aufzug unbeachtet und nahm die Treppe.
In der fünften Etage angekommen, hielt er inne, lauschte. Hörte
nichts.
Er öffnete die Feuertür einen Spalt und lauschte wieder.
Immer noch nichts.
Er stieß sie ein Stück weiter auf und spähte hinaus. Der Flur
war leer.
Von seinem Standort aus zählte der Mann sechs Türen, doch
die Namen auf den Türschildern konnte er nicht entziffern. Ihm
blieb also keine andere Wahl, als sein sicheres Versteck
wenigstens für ein paar Sekunden zu verlassen. Trotzdem
zögerte er wie ein ängstliches Tier, das in seiner Nähe eine
Gefahr wittert, die Quelle aber nicht ausmachen kann. Gerade
wollte er in den Korridor schlüpfen, als er plötzlich erstarrte.
Einen kurzen Moment lang wusste er nicht einmal, was ihn
plötzlich hatte innehalten lassen. Doch dann hörte er es – ein
leises Scheppern – und kurz darauf wusste er auch, was es war:
der Aufzug. Lautlos zog er sich wieder ins Treppenhaus
zurück, schob die Tür fast ganz zu und wartete ab. Das
Geräusch wurde lauter, um dann abrupt zu verstummen. Er
hörte, wie die Fahrstuhltür geöffnet wurde, und der gedämpfte
Laut verriet ihm, dass der Lift in einem anderen Stockwerk
angehalten hatte.
Einen Moment später schepperte es wieder, als der Fahrstuhl
sich auf dem Weg nach unten zur Lobby befand.
Jetzt!
Der Mann schob die Feuertür auf und huschte den Flur
entlang. Die Tür zu Apartment E war die Dritte auf der rechten
Seite, auf der Rückseite des Gebäudes.
Perfekt!
Keine Minute war vergangen, seit der Mann das Treppenhaus verlassen hatte, und jetzt befand er sich bereits wieder in
dessen Schutz und setzte seinen Weg fort. Oben angekommen
öffnete er die schwere Feuerschutztür und trat hinauf aufs
Dach.
Andrea Costanza starrte auf den Monitor ihres Notebooks, das
sie auf dem Küchentisch aufgeklappt hatte. Dreimal hatte sie
bereits Nate Rosenberg angerufen, der ihr mit einer Engelsgeduld sämtliche Schritte vorgebetet hatte, die notwendig
waren, dieses Notebook mit ihrem Computer im Büro zu
vernetzten, aber was immer sie auch tat, es klappte einfach
nicht. »Soll ich rüberkommen?«, erbot sich Nate bei ihrem
letzten Anruf.
»Nein, ich möchte nicht, dass du rüberkommst«, lehnte
Andrea über Gebühr unfreundlich ab, um sich im nächsten Satz
dafür zu entschuldigen: »Tut mir Leid, mein Zorn richtet sich
nicht gegen dich. Ich bin nur sauer auf mich und diesen
verdammten Quacksalber, von dem du so große Stücke zu
halten scheinst, und diesen blöden Computer hier. Wie üblich
wird es etwas ganz Simples sein, und morgen, wenn du mir
dann zeigst, wo es gehakt hat, werde ich mir vorkommen wie
der letzte Computer-Trottel. Weißt du was? Ich glaube, ich
lasse jetzt die Finger davon und haue mich für den Rest des
Abends vor die Glotze. Bis morgen!«
Sie hatte Chloes Fressnapf gefüllt, die daraufhin ihr übliches
Missfallen über das Hundefutter zum Ausdruck brachte.
Anschließend hatte sie ihr eigenes Abendessen zubereitet, das
sie nun unter Chloes vorwurfsvollen Blicken verzehrte und sich
dabei standhaft gegen die Versuchung wehrte, dem Tier auch
nur einen Krümel davon abzugeben. »Wenn Sie Ihr Essen mit
Ihrem Hund teilen, bringen Sie ihn um«, hatte ihr Tierarzt ihr
eingeschärft. »Schnauzer haben schwache Nieren, und wenn
Sie einen gesunden Hund haben wollen, dann geben Sie ihm
Trockenfutter. Wenn Sie ihn aber mit
Weitere Kostenlose Bücher