Mitternachtsstimmen
Frikadellen verwöhnen,
wird er bis an sein Lebensende mit dem Schwanz wedeln,
welches dann allerdings nicht lange auf sich warten lassen
wird.«
In Erinnerung an die mahnenden Worte hatte sie ihr
Abendessen-Ritual durchgezogen, während Chloe ihren Fressnapf so lange ignorierte, bis wirklich keine Hoffnung mehr
bestand, ihrem Frauchen einen Leckerbissen abzubetteln.
Als Andrea dann das Geschirr abräumte, machte sich Chloe
lustlos über ihr Trockenfutter her.
Nach dem Abwaschen stellte Andrea den Fernseher an,
konnte sich aber auf keine Sendung konzentrieren.
Der Computer ließ ihr keine Ruhe.
Sie fuhr ihn herunter und räumte ihn weg, nur um ihn keine
zehn Minuten später wieder auf dem Couchtisch aufzuklappen,
neu zu starten und unablässig die Schritte zu wiederholen, die
Nate ihr erklärt hatte.
In ihrer Verzweiflung rief sie sogar die Help-Hotline an,
tippte sich durch die endlosen automatischen Fragen wie
»Wenn Sie dies und jenes wollen, drücken Sie die Eins« und
hing anschließend eine geschlagene Dreiviertelstunde in der
Bitte-Warten-Schleife, bis sie endlich einen Herrn an der
Strippe hatte, der rasch bewies, dass er noch weniger Ahnung
von Computern hatte als sie selbst.
Einigermaßen frustriert klickte sie sich zurück zur
Symbolleiste und musste feststellen, dass die Symbole ihr
immer weniger sagten. Vergiss es, entschied sie. Pack die.
Kiste einfach weg und mach was anderes. Und während dieser
Gedanke in ihr Bewusstsein sickerte, klickte sie zufällig auf
eines der Symbole, und da war es endlich: Das Fenster, das sie
aufforderte, ihr Passwort einzugeben.
Als Chloe zu winseln begann, war Andrea ihrem Ziel so
nahe, dass sie den kleinen Hund so lange ignorierte, bis dieser
auf die Couch sprang, sich mit den Vorderpfoten an der Lehne
abstützte und das Fenster hinter Chloe anbellte.
»Zum Kuckuck noch mal, Chloe«, knurrte Andrea genervt,
den Blick immer noch starr auf den Bildschirm geheftet. »Da
draußen ist doch –«
Im gleichen Moment bemerkte sie den Schatten, der über
den Bildschirm huschte und bekam eine Gänsehaut, als ihr klar
wurde, dass da doch etwas vor dem Fenster war.
Als sie sich umdrehte, war es bereits zu spät. Ein kräftiger
Arm schlang sich von hinten um ihren Hals. Sie setzte zu
einem Schrei an.
Doch abermals einen winzigen Moment zu spät. Der Arm
riss Andrea nach hinten, warf sie gegen die Sofalehne und
drückte so fest auf ihre Kehle, dass sie nur ein gepresstes
Seufzen ausstoßen konnte.
Andrea zerrte an dem Arm, hieb auf ihn ein, versuchte sich
aus dem Würgegriff zu befreien.
Doch der Arm ließ nicht locker; ihre Lungen begannen zu
brennen.
Chloes Bellen war jetzt nur noch ein ängstliches Wimmern.
Der Hund hüpfte vom Sofa und kauerte sich gegenüber an die
Wand, den Blick auf ihr Frauchen geheftet, den Bauch ganz
flach auf den Boden gedrückt. Andrea streckte die Hand nach
Chloe aus, doch vor ihren Augen verschwamm alles, und sie
spürte, wie ihr der Sauerstoffmangel im Blut die Kraft aus den
Armen und Beinen zog. Sie sah kaum noch etwas, als sie
versuchte, nach hinten zu greifen, um dem Angreifer ihre
Fingernägel in die Augen zu stoßen. Doch sie bekam nur
weichen Stoff zu fassen.
Das Brennen in ihren Lungen wurde immer unerträglicher,
und ihre Hände ließen vom Gesicht ihres Peinigers ab, als alle
ihre Instinkte sich nur noch darauf richteten, dem tödlichen
Druck auf ihren Hals zu entkommen. Sie zerrte an dem dicken
Stoff, der den Arm um ihren Hals bedeckte, bis sie merkte,
dass auch ihre letzten Kraftreserven erschöpft waren.
Ich werde sterben, durchfuhr es sie. Dann spürte sie auf
einmal die rechte Hand des Mannes seitliche am Kopf über
ihrem Ohr. Ich werde jetzt sterben, hier auf–
Mit einer kraftvollen Drehbewegung brach der Mann Andrea
Costanza das Genick; ihre Hände fielen von seinem Arm ab,
ihr Körper wurde schlaff.
Noch gut eine Minute hielt der Mann Andreas leblosen
Körper fest, und erst als er ganz sicher war, dass wirklich jedes
Leben aus ihr gewichen war, ließ er sie los. Wie eine Puppe
sank ihr Körper auf das Sofa, mit schlenkernden Armen und
dem Kopf, der ihr auf die Schulter fiel. Wäre ihr Kopf nicht so
komisch verdreht gewesen, hätte man meinen können, dass sie
schliefe.
Der Mann, der das Zimmer nie richtig betreten hatte, zog das
Fenster zur Feuerleiter zu und kletterte zurück aufs Dach.
Eine unnatürliche Stille senkte sich über die Wohnung;
Chloe rührte sich lange nicht
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