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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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ihr die
Ohren kraulte, wand sie sich genüsslich hin und her, streckte
dann alle viere von sich und kuschelte sich noch dichter an
Ryan an.
Wieder lauschte er, doch jetzt war auch der Lastwagen weit
weg, und nächtliche Stille senkte sich über sein Zimmer.
Er zog die Decken hoch, deckte sich und den Hund zu und
sah sich noch einmal gründlich in dem großen Zimmer um, ob
auch wirklich alles in Ordnung war. Alles war friedlich, und
mit Chloe neben ihm wirkte das Zimmer längst nicht mehr so
groß und leer. Trotzdem wagte er nicht, das Licht auszumachen.
Und schlafen wollte er auch nicht mehr.
Er lag ganz ruhig und mit offenen Augen da, kraulte Chloe,
und mit der Zeit begannen seine Lider doch schwer zu werden.
Dreimal ertappte er sich dabei, dass er am Einschlafen war,
und dreimal gelang es ihm, wieder hellwach zu werden. Doch
beim vierten Mal gewann der Schlaf und übermannte ihn.
Erschöpft von ihrer stundenlangen Wachsamkeit schlummerte Chloe unter der Decke ebenfalls tief und fest.
Abermals driftete das Geflüster von jenseits der Wand ins
Zimmer, nur waren die Stimmen diesmal nicht laut genug, um
den Jungen oder den Hund aufzuwecken. Die beiden erwachten
erst, lange nachdem die Sonne hinter den Hochhäusern östlich
des Parks aufgegangen war und die Stimmen der Nacht zum
Schweigen gebracht hatte.

24. Kapitel
    Caroline wusste instinktiv, dass sie verschlafen hatte – die
Frage war nur, wie lange. Und obwohl sie schon längst hätte
aufstehen müssen, weigerte sie sich, sich zu ihrem Wecker
umzudrehen, oder gar den sicheren Hafen ihres Betts zu
verlassen. Sie fühlte sich, als hätte sie die ganze Nacht kein
Auge zugemacht, oder falls sie doch geschlafen hatte, ihre
ganze Energie dafür verbraucht, irgendeinem schrecklichen
Albtraum zu entfliehen. Nur konnte sie sich nicht erinnern,
geträumt zu haben, und aus dem Albtraum, in den sie am
Abend zuvor geraten war, als sie zugesehen hatte, wie man
Andrea Costanzas Leiche aus dem Haus getragen hatte, gab es
kein Entrinnen.
    Andrea.
Wer sollte Andrea umbringen wollen? Von allen Menschen,
die Caroline kannte, war Andrea diejenige, der man überhaupt
keine Feinde zutraute. Andererseits war es in dieser Stadt meist
kein Feind, der einen umbrachte – sondern ein Fremder, ein
Mensch, dem nichts an einem lag, der einen nicht einmal
kannte; es war jemand, der nur deine Habe wollte, um sie
anschließend weiter zu verhökern. Aber was besaß Andrea
schon? Nichts.
Jedenfalls nichts, was sich zu stehlen lohnte. Ihre
Armbanduhr, eine einfache Timex, hatte gerade mal dreißig
Dollar gekostet, und ihr kostbarstes Schmuckstück war eine
Bernsteinkette, die sie von ihrer Urgroßmuter geerbt hatte und
so gut wie nie trug. Auch in ihrer Wohnung hatte sie keine
Schätze angehäuft. Ihr Fernseher war noch der gleiche Sharp
mit dem 45er-Bildschirm, den sie schon im College besaß, und
ihre Stereoanlage war eines dieser Billigangebote aus dem
Kaufhaus.
Es gab auch keinen sitzen gelassenen Liebhaber, der vor
Eifersucht ausgerastet sein könnte; in den letzten fünf Jahren
hatte sie überhaupt keinen Freund gehabt.
Und trotzdem war Andrea tot.
Das war kein Traum.
Das war kein Albtraum.
Das war die Wirklichkeit.
Sie setzte sich auf, schob die Beine aus dem Bett und warf
schließlich einen Blick auf den Wecker. Zehn vorbei!
Unmöglich, das konnte nicht sein! So lange hatte sie nicht
mehr geschlafen, seit Laurie auf der Welt war.
Die Kinder! Wenn sie verschlafen hatte, was war dann mit
ihnen? Laurie war vielleicht allein aufgestanden, aber Ryan
war in den letzten zwei Jahren Schulalltag nie aus seinem Bett
gekrochen, ohne vorher mindestens eine Viertelstunde zu
lamentieren. Rasch warf Caroline sich den Morgenmantel über
und lief über den Flur zu Ryans Zimmer. Die Tür war zu, und
als sie klopfte, erhielt sie keine Antwort. »Ryan?«, rief sie,
während sie den Knauf drehte und die Tür aufstieß. Die
Vorhänge waren aufgezogen, das Bett gemacht.
Ryans Schultasche, die am Abend zuvor auf seiner
Kommode gelegen hatte, war nicht mehr da.
Sie ließ Ryans Tür offen und warf einen Blick auf Lauries
Zimmertür, die ebenfalls geschlossen war. Sie wollte sich
schon umdrehen und hinuntergehen, als sie ein leises Bellen
hörte, gefolgt von einem kratzenden Geräusch und einem
kurzen Winseln.
Chloe? Was hatte der Hund in Lauries Zimmer zu suchen?
Gestern Abend hatte es so ausgesehen, als hätte der Hund Ryan
bereits adoptiert, und es war

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