Mittsommersehnsucht
Andrea.
»Finde ich auch.« Johan Ecklund nickte. »Und wir werden dann die Wohnung im Doktorhaus allein für uns brauchen. Das versteht ihr sicher.«
»Natürlich.« Andreas eben noch heitere Stimmung drohte zu kippen.
»Deshalb habe ich das kleine rote Haus schräg gegenüber erworben. Der alte Torben zieht zu seiner Tochter nach Ballstad. Er will die drei Enkel aufwachsen sehen. Es sind wilde Jungs, so wie Torben einer war. Ihr Vater ist oft unterwegs mit seinem Trawler, da ist es nicht falsch, wenn ein Mann im Haus ist, vor dem die Rangen ein bisschen Respekt haben.«
»Und … was hat das mit uns zu tun?«, erkundigte sich Magnus.
Johan grinste jetzt wie ein Schuljunge, der sich über einen gelungenen Streich freut. »Ganz einfach – die alte Bruchbude gehört euch. Ist mein Hochzeitsgeschenk. Renovieren müsst ihr allerdings allein.«
»Hochzeitsgeschenk …«, murmelte Andrea. »Aber …«
»Na, er wird dich ja wohl heiraten wollen. Oder nicht?«
»Gefragt hab ich sie noch nicht. Aber ich hole es gern nach.« Magnus grinste. »Wenn’s gestattet ist, allerdings erst dann, wenn wir allein sind.«
»Na dann …« Birgit stand auf. »Lass uns gehen, Johan. Ich wollte noch mal ins Kaufhaus und neue Wäsche aussuchen.«
Der alte Arzt seufzte auf. »Es geht schon los. Sie kommandiert mich noch stärker rum als bisher.« Doch er wirkte so glücklich und gelöst, wie ihn Andrea noch nie zuvor gesehen hatte. Und auch in Birgits Augen stand ein Leuchten, das sie sehr jung aussehen ließ, als sie beide nach einer liebevollen Umarmung das Krankenzimmer verließen.
»Was sagst du dazu?« Andrea schaute immer noch zur Tür, obwohl die sich schon lange hinter den Besuchern geschlossen hatte.
»Der Mann weiß zu überraschen.«
»Ja, und … ich weiß wirklich nicht, ob ich mich auf sein Angebot einlassen soll. Wir kennen uns kaum, und doch will er mir die Praxis einfach so überlassen.«
»Er weiß, dass bei dir sein Lebenswerk in den besten Händen ist.« Magnus setzte sich zu ihr aufs Bett. »Allerdings möchte ich auch nicht, dass er uns ein Haus schenkt. Ich habe von meinem Großvater einiges geerbt, für ein kleines Häuschen hier reicht es allemal.«
»Das ist schön.« Andrea legte ihm die Arme um den Nacken und zog ihn tiefer zu sich. »Bevor wir uns jetzt auch noch über die Hauseinrichtung unterhalten oder darüber, wo du in Zukunft arbeiten wirst, küss mich lieber.«
Der Aufforderung kam Magnus nur zu gern nach. Für alles andere war, da hatte Andrea recht, später noch Zeit genug.
57
D er Winter kam früh in diesem Jahr. Eisiger Wind führte kleine, gefrorene Schneekristalle mit sich, die auf der Haut brannten, als wäre man von tausend Nadeln gestochen worden.
Andrea Sandberg zog sich die dicke hellgrüne Wollmütze mit dem weißen Puschel über. Sie fror, obwohl sie einen wattierten Thermomantel anhatte.
Wahrscheinlich haben die Einheimischen recht, wenn sie behaupten, dass nichts so gut wärmt wie eine Jacke oder ein Mantel aus Robbenfell, ging es ihr durch den Sinn. Aber noch mochte sie sich keinen Pelzmantel zulegen. Daheim in Deutschland hatte sie oft gegen die eleganten Düsseldorferinnen gewettert, die auch bei frühlingshaften Temperaturen ihre Nerzmäntel ausführten.
Ein kurzer Blick auf die Uhr – in zehn Minuten würde MS Kong Harald im Hafen einlaufen. Und an Bord würde Magnus sein. Bei dem Gedanken, ihn endlich wieder nahe bei sich zu haben, wurde ihr nun doch warm. Fünf lange Wochen war Magnus in Trondheim gewesen und hatte dort ein paar Seminare für die Blomquist-Stiftung abgehalten.
Allen Drohungen zum Trotz förderte der Millionär auch weiterhin das Meeresbiologische Institut, und sein Zuschuss zu den Fahrten der Black Nessy würde auch in den kommenden drei Jahren gezahlt werden, so stand es in einer Vereinbarung mit Blomquist und der Institutsleitung.
Andrea war froh, dass es Magnus gelungen war, sich seine beruflichen Tätigkeiten so einzuteilen, dass er viele Wochen im Jahr bei ihr sein konnte, ohne seine wissenschaftlichen Arbeiten zu vernachlässigen. Er war Meeresbiologe mit Leib und Seele, und Andrea konnte gut nachvollziehen, dass er auf seine Forschungstätigkeit nicht verzichten wollte. Ihr würde es im umgekehrten Fall ebenso ergehen, auch sie könnte ohne ihre Arbeit, ohne den Umgang mit den Patienten nicht leben.
»Kjell Blomquist hat wohl eingesehen, dass es ein großer Imageverlust wäre, wenn er sich als unser Sponsor zurückzöge«, sagte James,
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