Mittsommersehnsucht
Lieber.«
»So was Unfaires! Aber warte nur, ich werde dir zeigen, wie romantisch ich sein kann.« Er umfasste ihre Taille und zog sie fest an sich. Spielerisch glitten seine Lippen über ihre Schläfen, knabberten an ihrem Ohrläppchen, um sich dann langsam den Hals hinabzuküssen.
»Später. Jetzt lass uns das Nordlicht ansehen.« Andrea machte ein paar Schritte zur Seite, wo an der noch provisorischen Garderobe die dicken Thermojacken hingen, die sie sich erst vor kurzem gekauft hatten und die perfekt gegen Wind und Regen schützten. Auch die dicken Stiefel aus Robbenfell hielten warm.
»Fragt sich, wer hier unromantisch ist.« Magnus grinste, während er die Haustür öffnete.
Von draußen drang gleich eisige Kälte in die Diele. Noch stand hier – außer der Garderobe – nur eine alte Truhe, die Johan auf dem Speicher gefunden hatte. Sie stammte aus dem Jahr 1814 und war einst im Besitz eines wohlhabenden Schweden gewesen, der damals ins Land gekommen war, so wie viele seiner Landsleute, die zu jener Zeit die armen Nachbarn annektiert hatten.
»Puh, ist das kalt!« Andrea zog die Schultern hoch. »Wir sind verrückt, Magnus.«
»Gleich wird dir warm werden.« Er griff nach ihrer Hand und zog sie im Eilschritt mit zum Ende der Straße. Es ging ein wenig bergauf, und Andrea wurde wirklich bald warm dank der raschen Bewegung.
Der Ort lag nun unter ihnen, nur zwei alte, halb verfallene Hütten standen noch etwas erhöht. Vor ihnen erstreckte sich ein etwa einhundert Meter breiter Streifen, bedeckt mit einer dünnen Schneeschicht. Im Sommer war dies ein schmales Grasfeld, auf dem gern die Hunde tobten. Drei Bänke hatte die Gemeinde am Ende der Straße aufgestellt, da man von diesem hügeligen Platz aus einen wunderschönen Blick über die Bucht und den Hafen hatte. Schon zweihundert Meter weiter erhoben sich die Berge, kahl und abweisend wirkten sie, doch die schneebedeckten Spitzen glitzerten in dieser Nacht in einem Farbenspiel aus Grün und Gelb. Sogar ein zartes Rot war ganz hoch am Himmel zu erkennen.
»Wunderschön! Ich bin immer wieder fasziniert.« Beinahe andächtig sah Andrea den gelbgrünen Farbbögen zu, die sich wie breite Bänder durch die Luft bewegten. »Ich habe übrigens gelesen, dass die Wikinger in den Polarlichtern das Zeichen dafür sahen, dass irgendwo auf der Welt eine bedeutende Schlacht geschlagen worden war. Und die Walküren ritten nach jedem Gefecht über den Himmel und wählten die Helden aus, die dann als Lohn für ihre Tapferkeit an Odins Tafel speisen durften.«
»Schöne Geschichte. Die kannte ich noch gar nicht.« Magnus legte den Arm fester um sie. »Sie ist viel schöner als die nüchterne wissenschaftliche Erklärung.«
»Und die lautet – wie?«
»Dass die Polarlichter eine Leuchterscheinung sind, die beim Auftreffen geladener Teilchen des Sonnenwindes auf die Erdatmosphäre hervorgerufen wird.«
»Da ist mir aber die Geschichte von den Wikingern lieber«, meinte Andrea.
»Ich weiß noch eine.« Magnus nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Wenn sich zwei Liebende unterm Polarlicht küssen und dabei ewige Liebe und Treue schwören, bleiben sie ihr ganzes Leben lang glücklich.«
»Dann küss mich endlich!«
Magnus lachte. »Was meinst du, warum sonst hab ich dich nach Mitternacht raus in die Kälte geschleppt?«
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