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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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aufmerksam, das gerade anlegte. Zwei Männer sprangen heraus und vertäuten das blau angestrichene Schiff, das höchstens zehn Meter lang war. Der Steg, an dem es angelegt hatte, gehörte zu einem Hotel, wie sie auf dem weißen Schild an der Stirnseite des Hauses erkennen konnte. Gerade wollte sie sich abwenden, als sie sah, dass die Männer zum Schiff zurückeilten. Gleich darauf hoben sie eine Trage heraus.
    Andrea zögerte, dann hastete sie zu der schmalen Anlegestelle. Sie hörte noch Oles Stimme, der sie so eindringlich gemahnt hatte, dass sie unbedingt an Land gehen müsse. Der Mann auf der Trage … er brauchte wohl Hilfe.
    Noch zwanzig, noch zehn Meter. Drei Männer in weißen Kitteln, die allerdings voller Blut und Schmutz waren, näherten sich dem Verletzten, erregt wurde diskutiert, einer telefonierte.
    »Was ist passiert? Ich bin Ärztin. Wenn ich helfen kann …« Andrea beugte sich über die Trage, nachdem die Männer einen Schritt zurückgetreten waren.
    »Er hat sich an einem Haken den Unterschenkel aufgerissen. Es … es blutete wie verrückt, wir mussten das Bein abbinden.« Ein etwa fünfzigjähriger Mann mit dünner Brille, die ihm halb auf die Nase rutschte und die er vergeblich immer wieder hochschob, sprach sie auf Englisch an. »Magnus muss dringend in die Klinik, aber der Hubschrauber ist im Moment unterwegs zu einer kleinen Schäreninsel. Dort gibt es Probleme bei einer Geburt, wie man uns sagte. Und der alte Doktor Ecklund, der hier am Ortsende seine Praxis hat, ist auch unterwegs.« Er sah mit fest zusammengepressten Lippen zu dem Mann auf der Trage.
    »Können Sie ihn in das Haus dort bringen? Ich sehe mir die Wunde an, aber … viel kann ich nicht tun.«
    »Wir haben in der Fabrik eine gut ausgestattete Notfallapotheke.« Einer der Männer in den schmutzigen Kitteln sprach ebenfalls Englisch.
    »Dann hol sie, Nils. Schnell! Magnus geht es verdammt schlecht.« Der Mann mit der Brille wandte sich sofort wieder an Andrea. »Ich bin James Hower, Meeresbiologe wie Magnus.«
    »Gut. Dann brauche ich alles, was an medizinischem Gerät vorhanden ist. Wohin geht’s?« Fragend sah Andrea in die Runde.
    »Am besten in die Kantine der Fabrik dort hinten.« Er wies hinter sich zu einem weitläufigen Gebäude mit hellgelbem Anstrich.
    »Vorsicht mit Magnus, er hat höllische Schmerzen.«
    »Jetzt nicht mehr«, murmelte Andrea nach einem Blick auf den Verletzten, der ohnmächtig geworden war. Gut für ihn, denn so spürte er die Erschütterungen nicht, die entstanden, als die Männer im Laufschritt mit der Trage hinüber zu der Fabrikhalle eilten. Es roch intensiv nach Fisch, aber auch noch nach etwas anderem, das Andrea nicht gleich einordnen konnte.
    Als sie kurz die Nase rümpfte, bemerkte das einer der Männer und grinste. »Drüben ist eine Guanofabrik.« Er wies zu einem abseits liegenden Haus. »Von da her stinkt es manchmal ziemlich heftig.«
    Andrea fand diesen Ausdruck reichlich untertrieben, es stank fürchterlich, doch jetzt war keine Zeit, sich darüber auszulassen. Die kleine Gruppe hatte die Fabrik erreicht, und Nils und seine Kollegen brachten den Verletzten sofort in die Kantine.
    Es war ein großer Raum, funktional und schmucklos eingerichtet. Eine große Theke, etliche längliche Tische, an der Decke Neonleuchten. Die hohen Fenster hatten keine Gardinen, nicht eine Grünpflanze war zu sehen, wie Andrea es eigentlich erwartet hätte.
    Die Männer sahen sich fragend nach der jungen Ärztin um. »Wohin mit ihm?«, wollte der Ältere wissen. Er trug einen dunkelblauen Overall zu einem hellen Hemd, dessen ursprüngliche Farbe nicht mehr zu definieren war, es war vollkommen verwaschen. Sein Gesicht, von tausend kleinen Falten durchzogen, war gebräunt, die buschigen Augenbrauen eisgrau, so wie die Augen hinter einer dicken Hornbrille.
    »Stellt die Trage auf einem großen Tisch ab.« Andrea wies zur Längsseite des Raumes, wo unter den Fenstern fünf große Tische aus hellem Kunststoff standen. »Ich will mir die Wunde erst mal ansehen.« Sie wandte sich an James Hower, den Meeresbiologen. »Was ist das für ein Haken?« Stirnrunzelnd betrachtete sie das fast handtellergroße Stahlteil.
    »Damit werden Köder ins Wasser gelassen – oder auch Fangkörbe wieder an Deck gezogen.«
    Andrea biss sich auf die Lippe. Wenn der Haken schmutzig oder gar blutig war, sah es für den Verletzten noch schlimmer aus als jetzt schon. »Ist der Haken schon mal benutzt worden?«, erkundigte sie

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