Mittsommersehnsucht
Kunstschätze.
Während sie das Arbeitszimmer durchquerten, bewunderte Magnus insgeheim den echten Monet, der an der Wand dem Schreibtisch gegenüber hing. Daneben hing ein Frühwerk von Emil Nolde. Es waren Bilder, die Ella Blomquist, Lilians verstorbene Mutter, besonders geliebt hatte.
In den beiden Räumen hinter dem Arbeitszimmer befanden sich unter anderem Bilder von Andy Warhol, Max Ernst, Ernst Oppler und Marino Marini. Magnus fand nicht jedes Bild ansprechend, doch gestand er offen ein, dass sein Kunstverstand nicht ausgeprägt war.
Die beiden Bilder, zu denen ihn Kjell führte, gefielen ihm allerdings sehr. Das erste zeigte die Bergkette der Lofoten, grau-weiß ragten die Bergspitzen in einen grauen Himmel, der sich gen Westen jedoch immer stärker goldrot färbte. Das zweite war ein abstraktes, in Rot- und Blautönen gehaltenes Bild, das »Fernweh« betitelt war, wie der Hausherr erklärte. »Die Malerin kennst du vielleicht. Evelyn Wahlstrom lebt auf den Lofoten. Sie wird noch eine der ganz Großen, da bin ich sicher.« Er lächelte seiner Tochter zu. »Ich bin so froh, dass du endlich dein Auge geschärft hast, mein Engelchen. Und den Galeristen, diesen Tom Rheenhus, muss ich unbedingt persönlich aufsuchen. Er hat ein Juwel entdeckt.«
Lilian hauchte ihm einen Luftkuss zu. Wenn du wüsstest, Papa, dachte sie dabei. Tom hat eine exzellente Einnahmequelle entdeckt. Und davon profitiere unter anderem ich.
Doch das war ihr ganz persönliches Geheimnis. Sie hatte Tom während eines Fluges kennengelernt und war gern auf seine Flirtversuche eingegangen. In Brüssel hatten sie ein heißes Wochenende verbracht – mit viel Sex und bestem Speed.
»Meinen Glückwunsch. Evelyn ist wirklich eine hervorragende Malerin. Ich kenne sie flüchtig.«
»Das ist Fügung! Du musst mich mit ihr bekannt machen.« Für einen Augenblick vergaß Kjell Blomquist, dass seine Tochter sich von diesem Abend etwas Besonderes erhoffte.
»Ich denke, das wird Magnus gern arrangieren.« Sie zog Magnus zur Tür. »Aber jetzt komm, ich kann’s kaum noch erwarten, dir deine Überraschung zu zeigen. Aber dafür müssen wir kurz nach draußen.«
Der Wind hatte, wie vorhergesagt, noch zugenommen. Er heulte ums Haus, trieb Blätter und abgebrochene Äste vor sich her wie ein Hütehund seine Schafe. Die Bäume im alten Park, der zum Haus gehörte, bogen sich mühsam ächzend. Wie kleine Nadelstiche war der Regen auf der Haut.
Den drei Menschen, die durch das Unwetter ans andere Ende der Insel hasteten, wurden beinahe die Schirme aus den Händen gerissen.
»Wir hätten mit dem Wagen fahren sollen«, murmelte Kjell Blomquist und zog sich den Regenmantel enger.
»Das lohnt doch nicht, Paps.« Lilian lachte. Sie hatte als »Dessert« eine der kleinen Pillen eingenommen, die ihr Tom geschenkt hatte, als sie die Bilder erwarb. Jetzt fühlte sie sich euphorisch, das Wetter schreckte sie gar nicht. Im Gegenteil, es war doch lustig, sich gegen den Wind zu stemmen, das kühle Nass auf der Haut zu spüren.
»So, hier sind wir.« Das niedrige Holzhaus, das zur Seeseite hin mit Backsteinen verkleidet war, lag im Dunkeln. Nur eine schmale Neonleuchte über der Tür spendete Licht. Doch als Kjell die Tür geöffnet und einen Lichtschalter betätigt hatte, konnte Magnus sehen, was sich in dem etwa sechzig Quadratmeter großen Raum befand.
»Na, ist das eine Überraschung?« Lilian strahlte ihn an.
»Das ist es. In der Tat.« Magnus blieb unter der Tür stehen. Mit einem langen Blick umfasste er das Labor, das perfekt eingerichtet zu sein schien.
»Nebenan sind noch die Vorrichtungen für einige Aquarien angebracht.« Eifrig zog ihn Lilian weiter. »Hier kannst du deine Forschungen in aller Ruhe betreiben. Bist dein eigener Herr und kannst tun und lassen, was du willst.« Beifallheischend sah sie ihn an. »Paps hat versprochen, dass er dir alles beschafft, was du sonst noch brauchst.«
»Selbstredend.« Kjell Blomquist legte Magnus den Arm um die Schultern. »Wenn du erst mal mein Schwiegersohn bist, können wir über eine richtige Forschungsstation reden. Bis dahin …«
»Ich glaub’s nicht.« Magnus sah kopfschüttelnd von Kjell zu Lilian. »Ja, denkt ihr denn wirklich, ich lasse mich kaufen?«
»Wer sagt denn so was?« Der Verleger, ein gedrungener, korpulenter Mann mit weißer Löwenmähne, schüttelte den Kopf. »Du bist der Mann, in den sich meine Tochter verliebt hat. Mit dir will sie leben. Das macht mich glücklich. Und – ich weiß,
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