Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
Vom Netzwerk:
südlich lebte. Eigentlich gehörte die Insel zur Gemeinde Reine, doch Johan Ecklund war mit der Familie Hakonsen seit Jahrzehnten befreundet, man rief bei ihm an, wenn dringende medizinische Hilfe notwendig war.
    Diesmal war es Ditte Hakonsen, die schwer gestürzt war. Ein paar Rippen waren gebrochen, der linke Fuß geprellt. Andrea versorgte Ditte, so gut sie es konnte, ließ Schmerztabletten und eine abschwellende Salbe da.
    Auf der Rückfahrt kamen sie in einen Sturm, der das kleine Boot auf den Wellen tanzen ließ.
    Björn hatte alle Mühe, den Kurs zu halten. »Ich hab ja gesagt, dass wir uns beeilen müssen.« Er sagte es ruhig, ohne jeden Vorwurf.
    »Tut mir leid, aber Ditte musste versorgt werden.« Ohne dass sie es wollte, begann Andrea zu weinen. Zum Glück war Björn vollauf damit beschäftigt, das kleine Boot durch die Wellentäler zu manövrieren, so dass er nicht bemerkte, was mit der Ärztin los war.
    Andreas Tränen mischten sich mit den Regentropfen, die jetzt wie Perlenschnüre zur Erde fielen. Groß und hart klatschten sie auf die Haut, und der alte Wachstuchumhang, den Trine ihr geliehen hatte, konnte nur wenig vor der Nässe schützen.
    Sie atmete auf, als Björn das Boot endlich an Land gebracht hatte und vertäute. Ihre Finger waren eisig kalt, sie konnte kaum zufassen, als er ihr seine Hand entgegenstreckte, um ihr aus dem Boot zu helfen.
    »Du musst lange und sehr heiß duschen«, riet Björn ihr, »sonst gibt das einen Schnupfen, der sich gewaschen hat.«
    »Du aber auch.«
    Er winkte ab. »Ich bin so ein Wetter gewöhnt, mir machen Kälte und Nässe nicht viel aus. Bis dann, Doktor Andrea. Ruf ruhig an, wenn du mich wieder brauchst.«
    Er rannte hinüber zu seinem alten Auto. Andrea hörte den Motor aufheulen, sah zwei Lichter, dann schloss sich die Haustür hinter ihr.
    Birgit schlief schon, und um sie nicht zu wecken, machte Andrea so wenig Lärm wie möglich. Eine kurze Dusche musste reichen, dann kroch sie zähneklappernd unter die Bettdecke. Und hier, in der Geborgenheit ihres Zimmers, gab sie sich endlich ganz ihrem Schmerz hin.
    Magnus … war er wirklich so ein gemeiner Lügner?
    Er ist wie Jonas, sagte eine gehässige Stimme in ihrem Hinterkopf. Hier liebt er dich, auf dem Festland wartet dann Lilian. Wie praktisch!
    »Ohne mich«, murmelte Andrea und zog die Bettdecke noch höher über den Kopf. »Ohne mich. Ich lasse mich nie wieder belügen und betrügen.«
    Sie weinte, bis die Erschöpfung größer war als Enttäuschung und Wut. Den Kopf in das nasse Kissen vergraben, schlief sie ein. Doch es war kein ruhiger, erholsamer Schlaf. Wirre Träume quälten sie, sie sah Traumgesichter, die ihr Angst machten.
    Kim … warum wurde das liebe kleine Gesicht auf einmal zur Fratze? Warum wollte Kim sie mit sich in dieses undurchdringliche Grau ziehen, von dem sie, Andrea, nicht wusste, wo es hinführte? Wer hatte das weiße Rentier geschickt, das einen roten Sattel aufliegen hatte und jetzt vor ihr in die Knie ging, damit sie leichter aufsteigen konnte?
    Und Ole … er winkte ihr zu, in der linken Hand hielt er einen Revolver, in der rechten glitzerten Perlen und Brillanten. Jetzt hob er die Hand, zielte … aber nicht auf sie, sondern auf Magnus, der Kim an der Hand hielt und auf sie zugeschwebt kam.
    »Nein! Nicht! Magnus … nein!«
    Birgit Nerhus hatte Mühe, die junge Ärztin in die Kissen zurückzudrücken. Immer wieder murmelte sie beruhigende Worte, flößte Andrea Tee oder Wasser ein, zog ihr ein frisches Nachthemd an und machte Wadenwickel. Doch die halfen kaum, ebenso wenig wie die Medikamente, die Birgit nach Anweisung von Johan, den sie in der Klinik anrief und um Rat fragte, verabreichte.
    Vier Tage lang dämmerte Andrea vor sich hin. Als sie endlich wieder klar war, schien sie ein anderer Mensch zu sein. Still. In sich gekehrt. Mit blassem Teint und unendlich traurigen Augen.
    Magnus, der in Oslo seine Vortragsreihe hielt, rief einige Male an, doch Birgit konnte ihn nie mit Andrea verbinden, die Kranke war gar nicht in der Lage zu telefonieren. Und Birgit erfand eine Ausrede nach der anderen.
    »Was ist los?« Magnus’ Stimme klang nervös. »Ich spüre doch, dass etwas nicht stimmt. Birgit, lüg mich nicht an.«
    »Sie ist krank. Hat sich erkältet. Aber es geht schon wieder.«
    »Das glaub ich nicht.« Magnus’ Stimme klang gepresst. »Sag mir, was los ist. Ich … ich habe einfach keine Ruhe. Und fatalerweise hab ich irgendwo mein Handy verloren. Es ist lästig, vom

Weitere Kostenlose Bücher