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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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gewirbelt, die zum Teil vom Regen völlig durchnässt waren.
    »Wir trinken jetzt erst mal etwas Heißes, essen einen Happen – und dann weiß ich ein Mittel, das dir hilft, das Chaos hier zu vergessen.« Zärtlich nahm er sie in den Arm. »Komm mit nach drüben. Wir können ja doch nichts tun.«
    Andrea nickte. »So hatte ich mir den vorletzten Abend mit dir nicht vorgestellt.«
    Magnus zögerte, dann sagte er: »Es ist der letzte Abend, Schatz. Ich muss, bevor ich nach Oslo zu meinem Vortrag fliege, noch mal kurz zu Hause vorbei.« Er hielt inne. »Mein Laptop … hoffentlich ist mein Laptop nicht gestohlen worden. Dann wäre die Katastrophe perfekt.«
    Aber er hatte Glück, sein Computer war für den Einbrecher uninteressant gewesen. Er hatte nur in der Praxis alles durchsucht, die privaten Räume waren offensichtlich gar nicht betreten worden.
    »Glück im Unglück«, murmelte Andrea.
    »Das stimmt.« Magnus zog nun auch seine Jacke aus und warf sie mit Schwung aufs Bett. »Komm, gehen wir rüber in die Küche. Auf den Schreck muss ich erst mal einen Schluck trinken.«

37
    H olger fror. Es zog durch die Ritzen der alten Fischerhütte, und der Gestank nach vergammeltem Fisch und ausgeweideten Robben verursachte ihm Brechreiz. Die zwei Decken, die er heimlich aus dem Doktorhaus in Stamsund mitgenommen hatte, waren inzwischen feucht geworden. Trotzdem zog er sie sich enger um den Körper.
    Es regnete seit Stunden. Keine Chance, rauszugehen und sich etwas zu essen oder zu trinken zu besorgen. Aber Hunger hatte er sowieso nicht. Nur Durst. Ganz schrecklichen Durst. Die Wasserflasche, ebenfalls aus dem Doktorhaus, war seit dem frühen Morgen leer.
    Holger lehnte an der groben Holzwand und biss die Zähne zusammen, die leise klapperten. Vor Kälte?
    Nein, er brauchte wohl schon wieder was! Zum Teufel, das Zeug aus dem Apothekenschrank half kaum. Mit zitternden Fingern riss er die Tablettenpackung auf, schluckte drei der kleinen hellblauen Pillen. Eine klebte am Gaumen, erzeugte wieder diesen unangenehmen Würgereiz, den er fürchten gelernt hatte.
    »Nik … ich muss zu Nik.« Er versuchte aufzustehen, aber die Beine trugen ihn nicht, er sackte auf sein provisorisches Lager aus Fischernetzen, einer zerschlissenen Plastikfolie und den beiden Decken zurück.
    Seit seiner Flucht aus der Klinik hielt sich Holger Nerhus in einer seit langem nicht mehr benutzten Hütte in der Nähe von Kabelvåg auf. Die Medikamente, die man ihm verabreicht hatte, konnten seine Entzugserscheinungen nur in geringem Maß eindämmen, er litt und hatte nur einen Gedanken: Ich brauche was! Ich brauche ganz dringend was!
    In seiner Wohnung befanden sich noch, versteckt in einer alten Packung Seifenpulver, ein paar der Pulvertütchen von Nik. Sie brachten ihm für kurze Zeit den ultimativen Kick – und schon zwanzig Stunden später jähe Ernüchterung.
    Und jetzt hockte er in der Hütte, sah gebannt auf die tanzenden bunten Gestalten, die schwerelos durch den Raum geisterten, die nach ihm griffen, ihn aufforderten, mit hinauszukommen aufs Wasser. Dann, von einer Sekunde zur anderen, verloren die Gestalten ihre Farbe. Graue, furchterregende Fratzen sahen Holger an, knochige Hände griffen nach ihm. Eine der Gestalten wurde zu einem bösartigen Troll, der ihn mit in den Abgrund eines Fjords ziehen wollte. Dann war da sein Bruder Björn … wie sah er nur aus? Klein, grau, wie aus Stein gemeißelt. Und er winkte ihm zu, fasste nach ihm.
    Auf allen vieren kroch Holger aus der Hütte. Nur fort von diesen Schreckensgestalten. Der Regen klatschte in sein Gesicht, brachte ihn für Sekunden in die Wirklichkeit zurück.
    Irritiert sah er sich um. Wo war er? Ach ja … da war ja sein Boot!
    Er taumelte auf einen altersschwachen Kahn zu, der nicht die geringste Ähnlichkeit mit seinem Boot hatte. Mühsam zog er sich über die Planke, löste den zerschlissenen Strick, mit dem der Kahn festgemacht war. Die Ruder auf dem Boden ignorierte er. Wie gebannt sah er den beiden dunklen Figuren zu, die am Bug saßen, die ihre Hände nach ihm ausstreckten … Holger merkte nicht, dass der Kahn immer weiter aufs Wasser hinaustrieb. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen, um die dunklen, wie irre um ihn herumtanzenden Gestalten nicht mehr sehen zu müssen.

38
    S anft fiel ein heller Sonnenstrahl auf die Bettdecke. Die Wärme war wie ein Streicheln auf der Haut. Andrea blinzelte, drehte den Kopf zur Seite – und schaute direkt in Magnus’ Augen.
    »Wie schön du

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