Mittsommersehnsucht
Hotelzimmer aus zu telefonieren. Bitte, Birgit … sag mir ehrlich, was mit Andrea ist.«
»Sie wird schon wieder. Mach dir keine Sorgen.« Dann unterbrach sie einfach das Gespräch und ging nicht mehr ans Telefon.
Magnus aber ließ nicht locker. Jeden Morgen und jeden Abend rief er an, doch Birgit legte auf, sobald sie seinen Namen hörte. Am vierten Tag, es war früher Nachmittag, meldete Magnus sich erneut. »Leg nicht wieder auf, Birgit. Ich flehe dich an. Lass mich endlich mit Andrea reden!«
»Na gut.« Sie brachte das Telefon ins Zimmer zu Andrea, doch die winkte ab.
»Nein, ich will nicht mit ihm reden.« Sie schrie es laut heraus, so dass Magnus es hören musste. Dann drehte sie den Kopf zur Wand.
»Aber … er macht sich Sorgen.« Birgit hielt ihr das Telefon ans Ohr, doch Andrea schlug es weg. Mit einem Ruck drehte sie den Kopf und sah Birgit mit starrer Miene an.
»Wenn du nicht willst, dass ich sofort zurück nach Deutschland reise, dann lass das. Sprich nie wieder von ihm!«
40
E s dämmerte bereits, als Magnus Hallström das Gebäude der altehrwürdigen Universität in Oslo verließ. Heute hatte er seinen letzten Vortrag gehalten und war mit großem Beifall bedacht worden. Auch an den beiden vorherigen Tagen durfte er sich über ein aufmerksames, interessiertes Publikum freuen, das seine Forschungsergebnisse würdigte. Die Diskussionen am Ende der Vortragsreihe waren lebhaft und ließen das Interesse der Zuhörer an der dargestellten Problematik erkennen.
Magnus und seine Kollegen konnten hoffen, weitere Unterstützung bei ihren Projekten zu erhalten.
Mit James und Henny, einer dänischen Kollegin, trank er noch ein Glas Bier zum Abschluss, dann verließ er allein das Gebäude. James wollte mit ein paar Bekannten noch in eins der vielen Lokale an der Åker Brygge gehen, doch dazu hatte Magnus keine Lust. Er machte sich Sorgen um Andrea. Um ihre Gesundheit, aber auch um ihre Beziehung.
Was war geschehen? Warum wollte Andrea nicht mit ihm sprechen, ihn nicht sehen?
Mit raschen Schritten überquerte er den Platz vor der Juristischen Fakultät, die mit ihren klassizistischen Säulen an das Alte Museum in Berlin erinnerte. Er wollte rasch in sein Hotel und von dort aus versuchen, den schnellstmöglichen Flug zu den Lofoten zu bekommen.
Er hatte den Eingang des Hotels noch nicht erreicht, als neben ihm ein roter Sportwagen bremste. »Hab ich dich erwischt!« Ohne sich darum zu kümmern, dass sie im Halteverbot stand, schwang Lilian die langen Beine aus dem kleinen Flitzer und kam auf Magnus zu. »Endlich bist du mit deinen Vorträgen fertig. Ich hab’s kaum erwarten können.«
»Und aus lauter Langeweile hast du dir ein neues Spielzeug zugelegt.« Er zeigte auf das Cabrio.
»Der ist nur geliehen.« Sie wollte Magnus umarmen, doch er schob sie brüsk von sich.
»Lass es, Lilian!«
»Sei doch nicht so schrecklich spießig!« Sie lachte viel zu laut auf und warf das lange Haar in den Nacken. Dass ein paar Autofahrer erregt hupten, da sie mit dem Cabrio die halbe Straße versperrte, kümmerte sie nicht.
»Fahr endlich den Wagen zur Seite.« Magnus wies auf den roten Flitzer. »Du riskierst noch, dass du einen Strafzettel bekommst oder man den Wagen abschleppt.«
Wieder kicherte sie albern und grundlos. »Dann wäre ja das Parkplatzproblem gelöst.«
In diesem Moment kam ein Page aus dem Hotel und bot an, den Wagen in die Tiefgarage zu fahren.
»Fein, mach das.« Ehe Magnus reagieren konnte, hatte sie dem Jungen den Wagenschlüssel zugeworfen. Dann hakte sie sich bei Magnus ein. »Komm mit! Ich schreie sonst die ganze Straße zusammen.«
»Du bist verrückt. Lass mich los!«
»Nein!«
»Lilian … du benimmst dich kindisch.«
»Komm mit! Nur auf einen Drink. Sonst mach ich dir eine Szene, die du nie vergisst.« Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus.
Er seufzte ergeben auf. »Einverstanden. Aber jetzt sei still.« Er umfasste ihren Arm und führte sie in die Lobby. Das Aufsehen, das sie bisher bereits erregt hatten, war ihm unendlich peinlich.
»Puh, bist du stark.« Lilian tänzelte neben ihm her, und Magnus fragte sich, was heute mit ihr los war. So kindisch und albern hatte sie sich noch nie benommen.
»Musst du eigentlich nicht mal wieder arbeiten?« Er drückte sie in einen der hellblauen Velourssessel. Auf den runden Tischen standen dunkelblaue Glasvasen, in denen gelbe Astern und Rosen kunstvoll arrangiert waren.
Ungeniert zupfte Lilian eine Rose aus dem Strauß vor sich
Weitere Kostenlose Bücher