Mittsommersehnsucht
werde es Paps zum Geburtstag kaufen.«
»Ein Bild deiner Lieblingsmalerin. Aha!« Ironie schwang in Magnus’ Stimme mit. »Bisher habe ich gar nicht gewusst, dass du dich für Kunst interessierst. Zumindest hast du vor einigen Monaten mal gesagt, du wärst noch nie im Munch-Museum gewesen.«
»Na und? Bei uns hängt auch ein Bild von Edvard Munch. Das reicht mir. So was Düsteres deprimiert mich nur. Aber das heißt nicht, dass ich keine guten Bilder mag. Solche, wie sie zum Beispiel Evelyn Wahlstrom malt. Das ist die Künstlerin, von der Tom in den letzten Jahren immer wieder was kauft. Du wirst auch begeistert sein von ihren Bildern. Sie lebt übrigens auf den Lofoten, und da bist du doch so gern in letzter Zeit«, fügte sie spitz hinzu.
Abrupt stand er auf. »Gut, dass du es sagst. Ich muss zurück nach Stamsund. Und zwar noch heute.«
»Nein! Wenn du jetzt gehst …«
»Sag’s dem Papa. Es stört mich nicht.« Er griff nach seinem dunkelblauen Cordjackett, das er über den freien Stuhl neben sich gelegt hatte, nahm die Collegemappe mit seinen Referatsunterlagen und ging zur Tür.
Lilian folgte ihm, wütend, mit fest zusammengepressten Lippen. Draußen vor dem Lokal zischte sie: »Mistkerl! Aber das wirst du büßen.« Dann lief sie zu dem Galeristen, der bereits auf der anderen Straßenseite stand.
»Bist du dir über die Konsequenzen im Klaren?« James Hower polierte so intensiv seine Brille, dass Magnus schon befürchtete, der schmale Goldrand würde brechen. »Wenn uns Kjell Blomquist wirklich die Geldmittel streicht, können wir das Schiff nicht mehr halten. Du hast selbst gesagt, dass er die Black Nessy und ihre Einsätze zu einem großen Teil finanziert. Und auch das Institut wird große Einschränkungen hinnehmen müssen ohne seine Spenden.«
»Tut mir leid.« Magnus biss sich auf die Lippe. Die beiden Männer saßen in der Bar ihres Hotels und tranken Rotwein. Eigentlich hatten sie noch mal auf den Erfolg der Vortragsreihe anstoßen wollen, doch daran dachte im Moment niemand. »Versetz dich doch mal in meine Lage. Ich liebe Lilian nicht, sie war ein etwas intensiverer Flirt. Doch so ein tiefes Gefühl, wie ich es für Andrea empfinde, gab es für sie nie. Wir hatten viel Spaß zusammen, das gestehe ich ein, aber Liebe … nein, Liebe ist das, was ich für Andrea empfinde. Nur mit ihr will ich leben, meine Zukunft gestalten. Wie kann ich mich da von Blomquist kaufen lassen? Es wäre ein schrecklich hoher Preis, den ich zahlen müsste, um das Institut zu halten, meinst du nicht auch?«
James setzte die Brille wieder auf. Er legte Magnus einen Arm um die Schultern, als er sagte: »Du hast recht. Sorry. Es war zu egoistisch von mir. Ich denke nicht, dass einer von uns anders handeln würde als du, wenn wir an deiner Stelle wären.« Er gab dem Jüngeren einen leichten Stoß. »Und jetzt mach dich fort. Andrea wartet sicher schon voller Sehnsucht.«
»Sie … sie ist krank. Und sie will nicht mit mir reden.«
»So schlecht geht es ihr?« James rutschte von seinem Barhocker, um einer älteren Dame in einem eleganten grauschwarzen Kostüm Platz zu machen, die in Begleitung von fünf ähnlich distinguiert wirkenden Herren hereingekommen war. Sie nickte ihm dankbar zu, dann vertiefte sie sich gleich wieder in die Unterhaltung mit dem grauhaarigen Herrn zu ihrer Rechten.
Die beiden Forscher gingen, ihre Gläser in der Hand, zu den hohen Fenstern der Bar. Davor standen ein paar Bänke, die mit grünem Leder bezogen waren. Sie setzten sich und tranken ihre Gläser aus.
Gedankenverloren sah Magnus in das Glas, an dem, hellrot und in zarten Fäden, die letzten Tropfen Rotwein entlangliefen. »Nein. Sie ist auf dem Weg der Besserung, hat mir Birgit Nerhus erzählt. Es muss etwas Furchtbares passiert sein. Und ich werde herausfinden, was es war, das sie so verstört hat. Und was sie so wütend auf mich macht, dass sie nicht mal mit mir reden will.« Er atmete schwer. »Sollten Lilian oder ihr Vater dahinterstecken … gnade ihnen Gott!«
41
M an merkt, dass der Sommer zu Ende geht. Es wird stürmisch und kalt.« Evelyn Wahlstrom legte einen weiteren Holzscheit in den Kamin. »Eigentlich ist es noch zu früh. Aber hier oben muss man immer wieder mit einem solchen Wettereinbruch rechnen. Ein Glück, dass du dich schon darauf eingestellt hast.« Sie sah Andrea an, die vor dem Kamin in einem Sessel saß und sich die kalten Hände an einer Kaffeetasse wärmte. Zu den Jeans trug sie einen hellen
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