Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
Vom Netzwerk:
deine Notfalltasche dabei?«
    »Natürlich.« Andrea griff nach ihrer Wetterjacke, dann lief sie zum Wagen, wo die Tasche lag.
    »Wir können zu Fuß gehen. Haakon und Kirstin wohnen dort drüben.« Evelyn schrie gegen den Sturm an, mit ausgestrecktem Arm wies sie zu einem Haus, das nur etwa zweihundert Meter entfernt auf einer Klippe stand. Es war ein altes, aus Bruchstein errichtetes Gebäude, das trutzig und ein bisschen düster wirkte.
    Evelyn hatte Kirstins Hand genommen, und so schnell wie möglich liefen die drei über den vom Regen aufgeweichten Feldweg. Das Haus lag im Dunkeln, nur aus einem Fenster im ersten Stock drang Helligkeit.
    »Papa ist noch im Atelier. Er hat nach mir gerufen.« Jetzt sprach Kirstin gut verständliches Norwegisch. Sie ging zur Seitenfront und öffnete eine breite, grün gestrichene Tür. Es war deutlich zu erkennen, dass sich hier einmal ein Stall befunden hatte. Jetzt aber war es die Werkstatt eines Bildhauers.
    Nur flüchtig sah sich Andrea in dem großen Raum um, der von drei breiten Neonleuchten an der Decke erhellt wurde. An der linken Seite lagerten ein paar unbehandelte Felsstücke, in der Mitte des Raumes, auf einem breiten Holzblock, stand eine Frauenfigur aus hellem Ahornholz. Auf dem Arbeitstisch in der Mitte befand sich eine kleine Bronzeskulptur. Davor hockte ein breitschultriger blonder Mann mit Dreitagebart. Er hielt den linken Unterarm, der mit einem Lappen notdürftig verbunden war, fest umklammert. Blut tropfte auf den Holztisch.
    »Haakon! Um Himmels willen, was ist passiert?« Evelyn trat hinter ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Bin abgerutscht. Da …« Er machte eine knappe Kopfbewegung zu der Holzskulptur hin. Auf der Erde lagen ein Holzhammer und ein scharfes Messer, das voller Blut war. »So ein Mist! Das ist mir ewig nicht mehr passiert.«
    Andrea zog sich sterile Handschuhe über.
    Stirnrunzelnd blickte der Bildhauer sie an.
    »Ich bin Dr. Sandberg. Du hast Glück, ich war gerade bei Evelyn zu Besuch.« Sie griff nach seinem Arm. »Lass mal sehen!«
    Er zögerte sichtlich.
    »Stell dich nicht so an, Haakon. Sie arbeitet bei Johan Ecklund«, erklärte Evelyn. »Sei lieber froh, dass sich eine gut ausgebildete Chirurgin um dich kümmert. Wer weiß, an wen du geraten wärst, wenn man dich in die Klinik gefahren hätte.«
    »An einen ordentlichen Doc, denke ich.«
    »Tja, den Notdienst könnte, zum Beispiel, an diesem Abend ein Gynäkologe versehen. Das wäre nicht ganz passend, oder?« Andrea blieb gelassen. Sie hatte inzwischen gelernt, dass Ruhe und eine gewisse Form der Abgeklärtheit nur von Vorteil waren.
    »Papa, du blutest!« Kirstin war, unbemerkt von den Erwachsenen, näher gekommen und sah nun voller Entsetzen auf ihren verletzten Vater. Der Verband war inzwischen vom Blut völlig durchtränkt.
    »Komm, Kleines, wir gehen raus. Hier stören wir nur.« Rasch wandten Evelyn und Kirstin sich dann ab, da Andrea gerade den provisorischen Verband löste. Sie sog zischend die Luft ein, als sie den tiefen Schnitt sah, der sich über den halben inneren Unterarm zog.
    »Die Schlagader ist zum Glück nicht verletzt«, stellte sie fest.
    »Und woher willst du das wissen? Es blutet doch wie verrückt.« In Haakons Stimme schwang Skepsis der jungen Ärztin gegenüber mit.
    »Hättest du die Schlagader getroffen, dann wärst du sicher nicht mehr bei Besinnung. Und die Blutlache hier wäre größer.« Andrea versuchte die längliche Wunde zu säubern, um besser sehen zu können. »Hättest mal lieber einen sauberen Lappen nehmen sollen, um die Blutung zu stillen. Das wird sicher eine Sepsis.«
    Er erwiderte nichts, denn das Desinfizieren der Wunde brannte höllisch, und der große Mann musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzustöhnen.
    »Geht’s noch?« Forschend sah ihn Andrea an. Er besaß ein fein geschnittenes Gesicht, wie ihr erst jetzt auffiel. Grüne Augen unter buschigen Brauen sahen sie skeptisch an. Sein Haar war etwas zu lang, doch es stand ihm gut. So, wie das verwaschene Jeanshemd genau zu seinem Typ passte.
    »Ich denke, es reicht, wenn ich die Wunde mit ein paar Klammern schließe und dann verbinde. Hinterher eine Tetanusspritze, oder bist du geimpft?«
    Er schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht. Aber tu, was du tun musst. Vor allem sieh zu, dass ich morgen wieder arbeiten kann.«
    »Unmöglich!«
    »Es muss sein. Ich hab schon genug Zeit verloren.« Er biss sich auf die Lippe, als Andrea die Wundränder

Weitere Kostenlose Bücher