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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Müssen Sie wirklich noch zurückfahren? Die Straßenverhältnisse sind bestimmt furchtbar.»
    «Aber nicht schlimmer als bei der Herfahrt. Und es sieht so aus, als würde es aufhören zu schneien.»
    «Aber vielleicht überfriert der Schnee. Das ist sehr gefährlich. Hören Sie, warum bleiben Sie nicht einfach über Nacht bei uns? Wir haben ein Gästezimmer, und Andrew macht uns eine heiße Schokolade.»
    «Danke. Aber Jane erwartet mich zu Hause. Und morgen früh muss ich den Gottesdienst halten.»
    «Ich habe richtige Schuldgefühle, weil ich Sie hergerufen habe.»
    «Ach, machen Sie sich keine Sorgen. Ich schlafe schon nicht am Steuer ein. Ich halte mich mit Rauchen wach.»
    «Hmmm», sagte Sophie missbilligend.
    «Gute Nacht, Sophie.»
     
    Als sie Sophie auf ihrem Weg in die behagliche Wärme und zu einer heißen Schokolade hinterhersah, wurde Merrily noch stärker bewusst, wie kalt und feucht sie sich in ihrer dünnen, imitiertenBarbour-Jacke fühlte. Der Polizeiwagen fuhr auf der Broad Street davon, und George Curtiss war gegangen.
    Abrupt wandte Merrily sich zu der Kathedrale um. Sie wollte für Dobbs beten, bevor wieder abgeschlossen wurde. Sie wusste, dass sie zu der Stelle gehen würde, an der George die Tür in der Stellwand eingetreten hatte. Und dahinter lagen die Fragmente des Cantilupe-Grabmals.
    Was wusste sie über Cantilupe? Bischof von Hereford im späten dreizehnten Jahrhundert. In eine vermögende normannische Freiherrensippe hineingeboren. Für ein Amt in der Kirche erzogen. Politische Laufbahn, bevor er im mittleren Lebensalter unter der Herrschaft Edwards   I. nach Hereford kam. Ein Streit mit dem Erzbischof von Canterbury. Exkommunikation. Wiederaufnahme in Kirche und Ämter, Tod, Heiligsprechung. Und dann die Wunder. Dutzende von Wundern in Verbindung mit dem Heiligenschrein – dem Grab, in dem kein Körper mehr lag und das nun in seine Bestandteile zerlegt worden war.
    Vor ihr schimmerte das Ewige Licht. Ein Relikt aus der Kirche des Mittelalters. In dem Wandtabernakel darunter mussten immer einige konsekrierte Hostien für überraschende Sterbefälle aufbewahrt werden. Sie wurden heute nur noch selten gebraucht. Heute hatte ein anderes Relikt aus dem Mittelalter die Letzte Ölung gebraucht.
    Merrily wurde klar, wie sehr sie sich wünschte, dass Dobbs nicht starb. Sie kniete sich vor das Ewige Licht auf den Boden.
Lass ihn leben. Bitte, Gott, lass ihn überleben. Baue eine Brücke zwischen uns. Schenke uns Verständnis füreinander. Lass es   …
    «Merrily.»
    Sie öffnete die Augen.
    «Es tut mir leid, dass ich vorhin so schroff war. Es hat nicht an Ihnen gelegen, nur an mir. Ich habe mich ausgeschlossen gefühlt.»
    Die Radiomoderatorenstimme aus der Nachtsendung, klangvoll, tieftönend. Sie hätte daran denken sollen, dass er noch in der Kirche war. Vielleicht hatte sie das ja auch.
    «Hallo, Mick.»
    Der Bischof streckte eine Hand aus. Er war sehr stark, und sie stand unversehens wieder auf den Füßen.
    «Sie sehen sehr müde aus», sagte Mick. «Es ist eine sehr komplexe Rolle: Sozialarbeiterin, Psychotherapeutin und überzeugende Schauspielerin, alles auf einmal.»
    «Schauspielerin?»
    «Wir alle sind Schauspieler. Die Kirche ist ein leicht angestaubtes, aber immer noch glanzvolles Kostümfest.»
    «Oh.»
    «Und wenn sie überleben will, muss sie viel fortschrittlicher werden. Der arme Dobbs kommt einem vor, als wäre er einem alten Dracula-Film entsprungen. Falls er sich erholt, sollte er sich wirklich in eines dieser reizenden Pflegeheime für alternde Geistliche auf dem Land zurückziehen. Er könnte ja anfangen, seine Memoiren zu schreiben, finden Sie nicht?»
    «Ich weiß nicht, was ich finde.»
    «Sie sind übermüdet, Merrily», sagte Mick. «Sie Arme, ich lasse Sie so nicht nach Hause fahren, das wissen Sie doch, oder?»
    «Es sind nur zwanzig Minuten Fahrt.» War das eben ein Angebot gewesen, sie heimzuchauffieren?
    «Bei diesem Wetter? Mindestens eine Stunde – und man muss aufmerksamer fahren, als Sie es jetzt noch können. Das wäre vollkommen unverantwortlich, das ist Ihnen bestimmt auch selbst klar. Sie können es ja als Dienstanweisung betrachten. Kommen Sie mit in den Bischofspalast. Wir haben so viele leerstehende Zimmer, dass ich schon ein schlechtes Gewissen habe. Vielleicht sollten wir ein paar ausgewählten Obdachlosen welche davon zur Verfügung stellen, was meinen Sie?»
    «Ich meine, das wäre eine höchst überflüssige Zumutung für Mrs.  

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