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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Hunter.»
    «Was? Den Heimatlosen die Tür zu öffnen? Oder Ihnen die Tür zu öffnen? Aber diese Frage stellt sich ohnehin nicht. Valentina ist für ein paar Tage zu Besuch bei ihren Eltern in den Cotswolds. Alter Kirchenadel, Vals Vater – ein Vertreter aus der Kirche von gestern. Ich führe mit ihm endlose Debatten über theologische Fragen, die zu nichts führen, also habe ich mir angewöhnt, zu viel Arbeit vorzuschieben, wenn so ein Besuch ansteht.»
    Merrily lächelte. «Das ist sehr nett von Ihnen, Mick. Aber   …» Sie bewegte sich befangen Richtung St.-Johns-Pforte.
    «Sie», er folgte ihr, «brauchen Ihre ganze Kraft. Lassen Sie doch manchmal andere etwas für sich tun. Ich bringe Sie morgen rechtzeitig zum Gottesdienst zurück, falls es das ist, worüber Sie sich Sorgen machen. Wir haben einen sehr zuverlässigen alten Land Rover.»
    «Jane gibt es aber auch noch, wissen Sie?»
    «Jane?»
    «Meine Tochter.»
    Sie glaubte ihn blinzeln zu sehen. «Sie ist doch kein Kind mehr, oder? Sie muss inzwischen an Ihre nächtlichen Ausflüge gewöhnt sein.»
    «Vielleicht.»
    «Also dann   …»
    Er legte seine Hände auf ihre Schultern. Sie waren groß, kräftig und warm.
    «Merrily, Sie sollten aufhören, sich über alles und jeden Gedanken zu machen. Abgesehen davon wäre es eine gute Gelegenheit für uns, über die weiteren Schritte zu sprechen. Es ist unmöglich, diese Sache aus den Zeitungen herauszuhalten, wissen Sie, besonders, wenn uns der alte Knabe wegstirbt. Wir sollten uns auf diese Situation vorbereiten, hmm?»
    Als Hunter die Hände von ihren Schultern nahm, beugte er sich leicht vor, und Merrily war sicher, dass seine Lippen ganz leicht ihren Haaransatz über der Stirn gestreift hatten.
    «Das bedeutet nämlich, dass wir mit dieser merkwürdigen Amtseinführung im Stillen aufhören und ganz offiziell die Einrichtung des Büros für spirituelle Grenzfragen bekannt geben können. Wir müssen unser Vorgehen absprechen.»
    «Aber nicht heute Nacht.»
    «O nein, nicht heute Nacht. Morgen.» Er hielt inne. «Vielleicht bei unserem Frühstück.»
    Die Art, auf die er
unserem
Frühstück gesagt hatte. Die Art, auf die er jetzt seine Arme herabhängen ließ, ohne einen Schritt von ihr wegzutreten. Die Art, auf die er ihr jetzt näher zu sein schien als zuvor. Merrily fühlte ein schreckliches Bedürfnis danach, sich einfach nach vorne an diese starke, muskulöse bischöfliche Brust sinken zu lassen.
    «Es liegt natürlich ganz bei Ihnen», sagte er. «Zufällig haben wir gerade ein Gästeapartment renoviert. Badezimmer mit Dusche, kleines Wohnzimmer – so etwas. Möglicherweise erfordern es Ihre Aufgaben, dass Sie zukünftig noch häufiger in Hereford übernachten. Das Apartment steht Ihnen jederzeit zur Verfügung. Und nachdem Sie mir persönlich über die Fälle berichten müssen, würde dieses Arrangement vermutlich beträchtliche   … Möglichkeiten bieten, wissen Sie.»
    Sie schwieg und gab ihm damit Gelegenheit, genauer zu erklären, was er meinte, doch er sagte nichts weiter. Er sah sie einfach nur an, und einen Moment später verschränkte er die Arme vor der Brust – manchmal war das eine Verteidigungsgeste, aber nicht in diesem Fall.
    Nein, das konnte nicht sein. Das konnte nicht sein, wonach es sich anhörte.
    «Alles verändert sich, Merrily», sagte Mick leichthin. «Wir befindenuns in einer Übergangsphase, in der wir uns nicht an traditionelle Werte und alte Einschränkungen klammern sollten. Wir sollten damit aufhören, so zu tun, als wüssten wir, welches Verhalten Gott von uns erwartet.»
    Merrily schob sich rückwärts in Richtung der St.-Johns-Pforte. Sie brauchte frische Luft und den Himmel über sich.
    «Wir sollten darauf eingestellt sein, Experimente zu wagen», fuhr Mick ruhig fort, «bis sich die Stürme gelegt haben und wir wieder wissen, wohin wir steuern müssen. Eine Zeitlang jedenfalls.»
    Er folgte ihr aus der Kathedrale. Der Kirchendiener würde die Pforte abschließen. Draußen lag ein unwirklicher malvenfarbener Nebel über den weißen Dächern, den weißen Trottoirs, der grauweißen Straße. Eine aus der Zeit gefallene Weihnachtsansicht von Hereford. Mick Hunter schien in seinem violetten Trainingsanzug ein Teil des Bildes zu sein. Ein Teil der Illusion. Nicht wirklich.
    «Sehen Sie, kein Mensch auf der Straße», sagte er. «Ich glaube, heute Abend wurde in den Nachrichten gesagt, dass man sich nur ans Steuer setzen soll, wenn es unbedingt notwendig

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