Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
Vom Netzwerk:
Fortschritte. Was es dazu Neues gibt auf der Welt, das werde ich kriegen. Und nicht irgendwann, sondern umgehend. Er bekommt meine Jugend und meine Energie und ich alles, was ich will.
    Jetzt hörte ich schon gar nicht mehr zu, was sie alles noch daherredete. Es galt zu überlegen, wie es nun weitergehen sollte. Rein theoretisch könnte ich den Dummen spielen und ins Krankenhaus zurückkehren. Aber dann wäre ich schon ein wirklicher Idiot. Klar, die Situation hatte sich verkompliziert, aber vielleicht doch nicht so schlimm, wie es anfangs schien? Bis zum Frühjahr war massig Zeit. Aber ich wusste, dass es nur so schien. Und vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätten mich geschnappt? Bei
Brūklys. Ohnehin würde es irgendwann zu Ende sein. Dann hätte ich im Frühjahr bereits ein halbes Jahr abgedient. Wie wäre es? … Soldatische Kameradschaft und die strenge, aber männlich herbe Kasernenatmosphäre . Nasse Fußlappen, Militärblusen, Öl, Stiefelfett, durchdringender Geruch nach Leder. Damit man nie vergaß, wo man sich befand, gab es das Einwachsen der Fußböden, Bettenbau, Küchendienst, Wache schieben, das unaufhörliche Fegen des Kasernengeländes. Und alles mit einem Lied auf den Lippen! Briefe, so hörte man, werden nicht durchgehend kontrolliert, dazu fehlen die Kapazitäten, aber für solche wie mich hatten sie vielleicht einen Übersetzer eingestellt. Wer kannte sie! Nur lohnte es nicht, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Ohnehin kommt alles schlimmer, als man denkt. Die Wirklichkeit übertrifft stets alle Erwartungen. Wie lautet gleich eines von Murphys Gesetzen? Sie fühlen sich gut? Keine Bange, das wird schnell vergehen. Oder Tom Waits: Alle, die mir gefallen, sind entweder tot oder sie fühlen sich schlecht.
    Hrasilda erwies sich als flotte Fahrerin. Ruckzuck, schon waren wir in Kaunas. Aus irgendeinem Grund nervte sie der Stadtverkehr, sie schimpfte auf Fahrer und Fußgänger, die ihr nicht die Straße freigeben wollten. Ein paar Mal versuchte sie mich zu beißen, aber ich wehrte sie ab .
    Wenigstens jetzt könntest du dieses Komsomolabzeichen entfernen, murmelte ich finster. Sie tat, als habe sie nichts gehört. Das ist für dich! Sie überreichte mir, in einem Beutel aus gutem Leder, ein Paket mit Lebensmitteln. Alles tat sie gründlich. Mit Raimundas’ Frack und Schuhen hatte sie mich ausgestattet. Und die Baskenmütze und der Schal waren so, als hätte ich sie selbst ausgesucht. Dennoch verabschiedeten wir uns kühl, versuchten nicht, uns etwas vorzuspielen. Frust fühlten wir beide, und das wussten wir auch. Wir verstanden sehr gut, dass wir auch nach diesem Abschied noch lange miteinander streiten würden. Und uns an alles erinnern würden, an alles.

9
    Es war ein Kranker, Lazarus aus dem Dorf Bethlehem, wo Maria und ihre Schwester Martha wohnten. Maria war jene Frau, die den Herrn mit duftendem Öl salbte, ihm die Haare und Füße wusch. Ihr Bruder Lazarus war erkrankt. Die Schwestern ließen ihm eine Nachricht zukommen: »Herr, der, den du liebst, liegt jetzt krank darnieder!« Als er dies vernommen hatte, sagte Jesus: »Diese Krankheit ist keine zum Tode, sondern eine zur Ehre Gottes, um seinen Sohn zu rühmen.«
    Joh 11, 1-4
    Der Bus, der die kleine Stadt in Suvalkija anfuhr, aus der Danielė Starkūtė stammte, dazu einige verdienstvolle Sprachwissenschaftler, sollte in einer guten Stunde abfahren. Während Hrasilda wie eine Hexe auf ihrem Besen in die Hauptstadt zurückjagte, brach ich den dritten Hunderter an: ich erstand einen Fahrschein, kaufte eine Flasche Starka, Zigaretten, trank Kaffee, dazu ein Stück Kuchen, verkostete ein Gläschen des billigsten Kognaks. Genau so, dachte ich lächelnd, muss einer leben, hinter dem das Kommissariat her ist, ständig auf Achse. Heute hier, morgen schon woanders. Dauernd unterwegs, dauernd in Gefahr. Und für niemanden erreichbar, nicht mal für ein Militärtribunal! Die vielen Uniformierten auf dem Bahnhof erschreckten mich nicht. Schon sah ich hier Dembels , demobilisierte Litauer, Heimkehrer aus den Weiten des Imperiums. Einige von ihnen boten nicht gerade einen schönen Anblick. Absichtlich verengte Hosen, am Unterbauch schlotternde Ledergürtel mit gewienerter Gürtelschnalle, die mit dem Stern, verbogene Mützenschirme und Achselstücke, so sah der typische sowjetische Dembel aus, mit dem Streifen eines Sergeanten und einem Köfferchen in der Hand. Nicht schwer war auch zu erraten, was drin war: ein kleines U-Boot aus

Weitere Kostenlose Bücher