Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Titel: Mode ist ein glitzernder Goldfisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Smale
Vom Netzwerk:
kann ich erkennen, dass mein Vater eine Polka aufführt, Toby wippt auf den Fußballen auf und ab, Wilbur wirbelt wie wild im Kreis, und Nat steht auf einer Kiste und klatscht. Selbst Annabel nickt in einem Rhythmus, der verdächtig nach einem inneren Beat aussieht.
    Â»Juhuu!«, schreit Nat durch den Raum. »Juhuuuuu!«
    Â»Juhuu!«, pflichtet Toby ihr ernst bei. »Und noch mal, wie Nat sagt: Juhuu!«
    Â»Meine Tochter!«, ruft mein Vater, sobald ich näher komme. Er boxt in die Luft, zerwuschelt mir die Haare und nimmt mich dann in die Arme, alles in einer einzigen nahtlosen Bewegung. »Feministin, Pionierin, Bahnbrecherin, Allen-in-den-Hintern-Treterin.«
    Annabel nickt. »Harriet Quimby wäre stolz auf dich«, sagt sie anerkennend, beugt sich vor und legt die Hand an mein Gesicht.
    Â»Genau wie Harriet, die Schildkröte«, fügt mein Vater hinzu und nickt. Annabel verdreht die Augen. »Wie, Annabel? Das wäre sie.«
    Â»Ich bin froh, dass es euch gefallen hat«, sage ich und werde ganz rot vor Freude. »Aber ich glaube, das war’s mit meiner Model-Karriere.«
    Â»Ach, wen juckt das schon!«, ruft Wilbur, der immer noch im Kreis wirbelt. »Ernsthaft, wen kümmert das schon?« Er packt mich am Arm. »Haben Sie dieses Mädchen gehört?«, sagt er zu einem Mann, der gerade zufällig vorbeigeht. Ich glaube, es ist der Beleuchter. »Haben Sie gehört, was sie gerade gesagt hat? Im Fernsehen?«
    Â»Nee, Kumpel. Ich hatte alle Hände voll damit zu tun, dass es am Set nicht dunkel wird.«
    Â»Dann haben Sie ausgezeichnete Arbeit geleistet, mein Freund«, sagt Wilbur und schlägt ihm auf den Rücken. »Ganz ausgezeichnete Arbeit. Es war voll ausgeleuchtet, nicht wahr? Das ganze Set!« Er sieht sich um, und dann atmet er ein paar Mal tief durch, geht zu der Kiste, auf der Nat steht, und zieht sie ohne viel Federlesens herunter.
    Â»He!«, protestiert sie.
    Â»Ich habe etwas zu sagen«, erklärt er, steigt auf die Kiste, nimmt seinen pinkfarbenen Zylinder ab und hält ihn sich vor die Brust. »Ein Geständnis, wenn man so will, das ich noch nie in der Öffentlichkeit abgelegt habe. Ich bin beseelt, und raus kommt’s.«
    Wir glotzen ihn nur an.
    Â»Oder«, berichtigt Wilbur sich lachend, »vielleicht sollte ich sagen: Rein geht’s.«
    Â»Spucken Sie’s aus,Wilbur«, fährt Annabel ihn freundlich an. »Ich muss schon wieder wohin.«
    Wilbur atmet noch einmal tief durch und richtet den Blick an die Decke. »Ich bin … nicht … schwul«,brüllt er aus Leibeskräften.
    Eine ganze Weile sagt niemand etwas.
    Â»Ich weiß«, sagt er endlich und schließt die Augen. »Ich weiß, was ihr alle denkt. Aber ich habe eine Lüge gelebt. Ich wollte dazugehören, reinpassen in die Modebranche. Mit euch Mädels arbeiten, die Arbeit tun, die ich tue. Und dafür muss man schwul sein, oder? Sonst nimmt einen niemand ernst. Aber ich bin nicht schwul. Ich mag Mode, aber ich liebe Frauen. Große, kurvenreiche Frauen mit Wackelbäuchen und Zellulitis. Richtige Frauen, keine Strichmännchen. Meine derzeitige Freundin heißt Mandy. Und … und … mein Name ist William, iam, nicht bur.« Er hält inne, denn seine Stimme bricht ein wenig. »So. Ich hab’s gesagt.«
    Wieder macht sich Schweigen breit. »Sie haben sich also gerade das Gegenteil von geoutet?«, meint mein Vater schließlich.
    Â»Ja, genau.« Wilbur sieht sich um. »Und wie Harriet sagt: Wenn das bedeutet, dass ich kein Modelagent sein kann, dann sollte ich wohl keiner sein.«
    Â»Um Himmels willen, lass gut sein«, meldet sich eine scharfe Stimme hinter uns zu Wort. »Jeder in der Branche weiß, dass Sie hetero sind, William. Niemand schert sich drum. Wir tun nur so,damit Sie sich wohlfühlen. Sie sind ein guter Agent, weil Sie fantastische Models finden und sich gut um sie kümmern, und nicht, weil Sie ihrer Freundin am Wochenende das ABC ins Gesicht rülpsen oder nicht.«
    Â»Können Sie das?«, fragt mein Vater ihn flüsternd. »Das würde ich unglaublich gern lernen.«
    Wir Übrigen haben uns zu Yuka umgedreht, die direkt unter einem Scheinwerfer steht, ganz in schwarze Spitze gekleidet, aber diesmal mit knallroten Lippen.
    Okay: Trägt sie den Scheinwerfer mit sich rum, oder bleibt sie nur da stehen, wo einer scheint?
    Â»Alle wissen

Weitere Kostenlose Bücher