Mode ist ein glitzernder Goldfisch
nichts hören. Es gibt einen Haufen Geschrei: hauptsächlich meins, gefolgt von ihrem. Und dann wird die Menschenmenge plötzlich gröÃer.
Anscheinend habe ich nicht nur den angrenzenden Tisch mit den Hüten darauf umgestoÃen. Der Stand hat wie ein Dominostein den daneben umgeworfen, und der hat wie ein Dominostein den nächsten umgeworfen, und bevor ich es mitkriege, sind sechs Stände ruiniert, sämtliche ausgestellten Waren kreativ auf dem Boden verstreut und ich mittendrin.
Daran sind meiner Meinung nach nur diese dämlichen Trennwände schuld. Sie sind nicht stabil genug.
Ich traurigerweise auch nicht.
»Genau deswegen wollte ich nicht, dass Sie die Hüte anfassen«, schreit die Hut-Dame mich an, während ich versuche, auf die FüÃe zu kommen. Sobald ich die Hände aufstützen will, knirscht etwas. Und nicht gerade fröhlich. Eher so, als wäre ich mit der Hand durch eine Hutkrempe gestoÃen. »Sie haben alles kaputt gemacht.«
Von meiner Position aus kann ich sehen, dass die Tische mindestens sieben Hüte platt gedrückt haben, weitere drei sind von dem Wasserkrug auf einem der jetzt umgestoÃenen Stühle getroffen worden. Zusammen mit dem Schild.
Weitere vier Hüte haben schuhförmige Einbuchtungen und FuÃabdrücke auf der Krempe.
Und ich sitze auf mindestens dreien.
Okay ⦠wo sie recht hat,hat sie recht.
»Es tut mir leid«, sage ich immer wieder (knirsch, knirsch, knirsch). Ich bemühe mich immer noch aufzustehen und scheitere jämmerlich. Wohin ich auch schaue, sehe ich in die Gesichter von Menschen, die mich nicht besonders zu mögen scheinen. »Es tut mir wirklich leid. Ich bezahle es. Ich bezahle alles.«
Ich habe keine Ahnung, wie, aber vermutlich wird es nur mit endlosem Autowaschen und rund sechshundert Jahren Hausarrest gehen.
»Das reicht nicht«, schreit die Frau. »Das wird nicht reichen! Dies ist mein wichtigster Verkaufstag im ganzen Jahr! Ich muss die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden erregen!«
Ich sehe mich rasch um. Also, der GröÃe der Menschenmenge nach zu urteilen, hat sie auf jeden Fall Interesse geweckt. Obwohl die Leute vielleicht nicht unbedingt was kaufen wollen.
»Es tut mir leid«, sage ich noch einmal mit hochrotem Kopf â denn es tut mir wirklich ehrlich sehr leid â und ich bin kurz davor, vor lauter Schuldgefühlen in Tränen auszubrechen, da beugt ein Mann mit einem freundlichen Gesicht sich vor und packt meine Hand.
»Ich fürchte, du musst mit mir kommen«, sagt er entschlossen mit einem Blick auf die Hut-Dame.»Und machen Sie sich keine Sorgen, Herzchen«, fügt er hinzu. »Sie wird die Hüte bezahlen. Dafür werde ich persönlich sorgen.«
Damit führt er mich vom Schlachtfeld.
Ich glotze ihn mit offenem Mund sprachlos an.
Nicht zu fassen.
Ich bin heute schon beinahe an meiner angeblichen Krankheit gestorben, bin â drei Mal â hingefallen, angebrüllt und gedemütigt worden, man hat auf mich gekotzt, ich wurde allein gelassen, und es ist mir gelungen, auf einer Modemesse eine ganze Reihe Stände dem Erdboden gleichzumachen.
Und just an dem Punkt, wo ich denke, schlimmer kann es gar nicht kommen â¦
Ich glaube, ich bin gerade verhaftet worden.
12
D as passiert, wenn ich gezwungen werde, mich in die Ãffentlichkeit zu begeben.
»Ich warâs nicht!«, keuche ich, während der Mann mich durch die Menschenmenge zerrt. Er hält mich an der Hand, und wenn ich ehrlich bin, weià ich gar nicht, ob er das überhaupt darf. Ich glaube, es ist illegal oder so. »Ich meine«, korrigiere ich mich, »ich habâs schon getan. Aber ich wollte es nicht. Ich bin nur â¦Â«Wie soll ich es formulieren? »⦠nicht gesellschaftstauglich, das ist alles.«
Und â nur damit ihr es wisst â darauf werde ich auch vor Gericht plädieren.
»Pausbäckchen, das sagst du aber schön«, wirft der Mann mit hoher Stimme, die nicht so recht zu ihm passen will, über die Schulter. »Die Gesellschaft ist langweilig, findest du nicht. Viel besser, ausgestoÃen zu werden.«
Wie hat der mich eben genannt?
»Ich bin nicht ausgestoÃen worden«, erkläre ich empört.»Ich kriege erst gar keinen Fuà in die Tür. Egal«, füge ich so resolut wie möglich hinzu, »Sie sollten wissen, dass ich erst fünfzehn bin.« Zu jung, um ins Gefängnis
Weitere Kostenlose Bücher