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Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Titel: Mode ist ein glitzernder Goldfisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Smale
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zerschnippeln die Realität in kleine Teile, damit sie so tun können, als wäre sie gar nicht da.
    Deswegen knabbert Nat an ihrem Burger, damit sie so tun kann, als würde sie ihn gar nicht essen, während sie in Wirklichkeit doch genauso viel davon isst wie ich.
    Trotz meines exakten Plans ist mir gerade klar geworden, dass ich das hier nicht in noch kleinere Teile zerstückeln kann. Dieser Teil – eine Modelagentur betreten und Fremde zu bitten, mir objektiv zu sagen, ob ich hübsch bin oder nicht – ist ein großer, beängstigender Klops, und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich eine Scheißangst.
    Und so fange ich, genau in dem Augenblick, wo ich denke, schlimmer kann’s gar nicht kommen, an zu hyperventilieren. Von Hyperventilation spricht man definitionsgemäß, wenn jemand so schnell atmet, dass er mehr als fünf bis acht Liter Luft pro Minute einatmet, und ich habe irgendwo gelesen, das Beste, was man tun könne, wenn man hyperventiliert, sei, in eine Papiertüte hineinzuatmen. Denn das angesammelte Kohlendioxid aus dem ausgeatmeten Atem verlangsamt den Herzschlag, und dann verlangsamt sich auch die Atemfrequenz.
    Das Problem ist, dass ich keine Papiertüte habe. Ich versuche es mit einer Chipstüte, aber von dem Geruch nach Salz und Essig wird mir schlecht. Ich überlege, es mit der Plastiktüte, die um die Chipstüte war, zu probieren, aber wenn ich da zu fest und zu schnell einatme, sauge ich sie womöglich bis in die Luftröhre, und das würde auch Menschen Probleme bereiten, die nicht eh schon zu schnell atmen. Als letzten Ausweg schließe ich also die Augen, halte mir die hohlen Hände vor den Mund und atme hinein.
    Das mache ich ungefähr fünfunddreißig Sekunden lang, da rührt sich neben mir etwas.
    Â»Geh weg«, sage ich matt und schnaufe weiter so fest ein und aus, wie ich kann. Es interessiert mich nicht, was mein Vater meint, wie ich mich beruhigen soll. Wenn er gestresst ist, spielt er allein mit sich eine Runde Snap.
    Â»Wir sind nicht in Singapur, weißt du«, sagt eine Stimme. »Du kannst dich hier nicht einfach so auf die Straße schmeißen. Nachher hast du überall Kaugummi auf dem Kostüm.«
    Ich höre abrupt auf zu schnaufen, doch ich halte die Augen geschlossen, denn jetzt ist es mir zu peinlich, sie zu öffnen. Mein Kostüm ist grau, genau wie der Gehweg – wenn ich mich ganz ruhig und still verhalte, verschmelze ich vielleicht mit meiner Umgebung, und der Besitzer der Stimme kann mich nicht mehr sehen.
    Es funktioniert nicht.
    Â»Also, Tisch-Mädchen«, fährt die Stimme fort, und zum zweiten Mal an diesem Tag hat jemand Mühe, das Lachen zu unterdrücken. »Was machst du diesmal?«
    Das kann nicht wahr sein.
    Aber genau so ist es.
    Denn als ich ein Auge aufschlage und durch die Finger linse, sitzt da auf dem Bordstein neben mir Löwen-Junge persönlich.

27
    V on allen Menschen auf der ganzen Welt, von denen ich nicht in einem Nadelstreifenkostüm am Straßenrand hockend und in meine hohlen Hände hyperventilierend gesehen werden wollte, steht dieser ganz oben auf meiner Liste.
    Dicht gefolgt von den Leuten, die den Nobelpreis verleihen. Also … nur für den Fall.
    Â»Ã„hm«, sage ich in meine Hände und überlege fieberhaft. Hyperventilieren klingt nicht besonders gut, also beende ich den Satz mit »… ich rieche an meinen Händen«. Was, wenn man’s bedenkt, noch schlimmer klingt. »Nicht weil sie schlecht riechen«, füge ich schnell hinzu. »Denn das tun sie nicht.« Ich linse schnell noch einmal durch meine Finger und sehe, dass Löwen-Junge die Füße müßig anzieht und streckt und den Blick zum Himmel gerichtet hat. Irgendwie – und ich weiß nicht, wie er das hingekriegt hat – sieht er heute noch besser aus als am Donnerstag. Ich hätte nicht gedacht, dass das überhaupt geht.
    Â»Und wie sind sie?«
    Â»Ein bisschen salzig«, antworte ich wahrheitsgemäß. Und dann platze ich nervös heraus: »Willst du mal riechen?«
    Ich durchforste die Tiefen meines Wissens und meine jahrelangen Erfahrungen, und etwas Besseres als Willst du mal an meinen Händen riechen fällt mir nicht ein.
    Â»Ich versuche, weniger zu schnüffeln«, sagt er und zieht eine Augenbraue hoch, »aber trotzdem danke.«
    Â»Sehr gern«, antworte ich automatisch, und dann entsteht ein kurzes

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