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Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Titel: Mode ist ein glitzernder Goldfisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Smale
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seltsamen Tonfall. »Und Erwachsene tragen so was. Was meinst du?«
    Was ich meine? Ich meine, die Modelagentur wird denken, wir wollten sie verklagen.
    Aber als ich den Mund aufmache, um Annabel zu sagen, ich würde lieber als Spinne gehen mit sämtlichen acht angehefteten Beinen, sehe ich ihr ins Gesicht. Und sie strahlt so vor Eifer und Glück – für sie ist das hier eindeutig ein wichtiger Augenblick meines Erwachsenwerdens –, dass ich es nicht über mich bringe. Ich werde die Demütigung auf mich nehmen.
    Â»Ich find’s toll«, sage ich und kreuze hinter dem Rücken die Finger.
    Â»Ehrlich? Und ziehst du es heute an?«
    Ich schlucke schwer. Ich weiß nicht viel über Mode, aber ich habe letzte Woche nicht viele Fünfzehnjährige in Nadelstreifenkostümen gesehen.
    Â»Ja«, antworte ich mit so viel Begeisterung wie möglich.
    Â»Ausgezeichnet.« Annabel strahlt mich an und schiebt noch ein paar Tüten in meine Richtung. »Denn ich habe dir auch noch einen passenden Terminplaner und eine Aktentasche besorgt.«

25
    D en Plan zu schreiben, war die reinste Zeitverschwendung. Und Verschwendung von Papier und Druckertinte.
    Ehrlich, ich weiß gar nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe gemacht habe. Als ich endlich wie eine Kanzlei-Hilfskraft gekleidet bin und meine Eltern ihren Streit um Dads T-Shirt beigelegt haben (»Es ist nicht mal gewaschen, Richard.« – »Ich beuge mich nicht den Regeln der Modeindustrie, Annabel.« – »Aber du beugst dich doch den grundlegenden Regeln der Hygiene, oder?«), haben wir unseren Zug verpasst und den Zug danach auch.
    Als wir endlich zu der angegebenen Adresse kommen, ist keine Zeit mehr für Pain au Chocolat und Cappuccino, und selbst wenn Zeit wäre, würden sie mir keinen erlauben.
    Â»Du trinkst keinen Kaffee, Harriet«, sagt Annabel, als ich vor dem Fenster anfange zu jammern.
    Â»Aber, Annabel …«
    Â»Nein. Du bist fünfzehn und auch so schon ständig total aufgekratzt.«
    Und dann finden wir, als wir endlich in der richtigen Straße in Kensington sind, das Haus einfach nicht. Hauptsächlich deswegen, weil wir nicht nach einem Zementblock hinter einem kleinen Supermarkt suchen.
    Â»Sieht ja nicht besonders …«, meint mein Vater, als wir davorstehen und es misstrauisch beäugen.
    Â»Ich weiß«, pflichtet Annabel ihm bei. »Findest du, es ist …«
    Â»Nein, es ist nicht windig. Ich hab ein Foto im Guardian gesehen.«
    Â»Vielleicht ist es innen hübscher?«, meint Annabel.
    Â»Paradox, für eine Modelagentur«, meint mein Vater, und dann lachen die beiden, und Annabel beugt sich vor und gibt Dad einen Kuss, was, glaube ich, bedeutet, dass sie einander das T-Shirt-Debakel verziehen haben. Ehrlich, die zwei sind wie ein Goldfischehepaar – zanken sich und haben es drei Minuten später schon wieder vergessen.
    Â»Also«, sagt Annabel langsam und drückt Dads Hand ein paar Mal, als sie glaubt, ich kriege es nicht mit. Sie atmet tief durch und sieht mich an. »Sieht so aus, als hätten wir’s gefunden. Bist du bereit, Harriet?«
    Â»Ist das dein Ernst?«, wirft mein Vater ein und zaust mir durch die Haare. »Ruhm, Reichtum, Ehre? Sie ist eine Manners. Sie ist quasi dafür geboren.« Bevor ich überhaupt auf eine dermaßen absurde Behauptung reagieren kann, fügt er hinzu: »Wer als Letzter drin ist, hat verloren«, und rennt, Annabel hinter sich herziehend, los.
    Und lässt mich – zitternd wie das sprichwörtliche Espenlaub – auf dem Gehweg zurück, wo ich mich auf den Bordstein hocke, den Kopf zwischen die Knie stecke und einen ganz und gar nicht sprichwörtlichen Panikanfall bekomme.

26
    I ch atme ein paar Minuten keuchend ein und aus, aber danach bin ich immer noch nicht viel ruhiger.
    Das überrascht euch vielleicht, aber Fakt ist: Menschen, die sehr sorgfältig planen, haben oft keinen besonders guten Bezug zur Realität. Nach außen wirken sie so, aber das täuscht. Sie konzentrieren sich ganz darauf, die Wirklichkeit in kleine Häppchen zu zerlegen, um nicht das ganze Bild ansehen zu müssen. Das ist Aufschieberitis in Reinkultur, denn es führt bei allen, einschließlich bei ihnen selbst, zu der Überzeugung, sie wären sehr vernünftig und hätten einen starken Bezug zur Realität, wo doch genau das Gegenteil der Fall ist. Sie

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