Model-Ich (German Edition)
hörte, dass die Agenturbesitzerin ein paar Jahre später von einigen Models wegen unterlassener Zahlungen juristisch verfolgt wurde. Wie sich herausstellte, wurde von den Honoraren für Großkunden jahrelang ein Rabatt abgezogen – ohne die Models vorab darüber zu informieren. Statt einer Außenprovision von 20 Prozent zahlte der Kunde nur 15 Prozent. Die Differenz wurde dann mit dem Geld der Mädchen beglichen. Und es ging dabei nicht um kleine Beträge. Die Agenturbesitzerin wurde am Ende wegen Betrug und Untreue in 365 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung und zu einer Zahlung von 220 Tagessätzen à 100 Euro verurteilt. Der Gesamtschaden, der ihr von der Staatsanwaltschaft bei mindestens 41 Models vorgehalten wird, beläuft sich auf fast 110 000 Euro. Auf Druck meines Anwalts wurde auch mir der vorenthaltene Betrag zurückerstattet.
Dieses Urteil ist so spektakulär, dass ich darüber in der Presse genau einen Bericht gelesen habe.
Es wird nicht oft darüber geschrieben, wenn sich Models gegen ihre Agenturen wenden. Eine simple Erklärung dafür wäre, dass es nicht oft passiert und Models keinen Grund zur Beschwerde haben.
Es lohnt sich trotzdem, vorsichtig zu sein. Im anfänglichen Eifer und bei aller Aufregung über die ersten bezahlten Jobs vergessen viele Models allein schon, dass ihnen ihre ausgezahlte Gage nur zur Hälfte gehört. Schließlich müssen noch Steuern und Versicherungen gezahlt werden, was nicht übersichtlicher wird, wenn man in verschiedenen Ländern arbeitet.
Trockenes Zeug, ich weiß. Deshalb würde ich jedem Mädchen raten, die finanziellen Angelegenheiten von Anfang an jemandem anzuvertrauen, der sich damit auskennt. Und nicht erst, wenn man anfängt, gutes Geld zu verdienen.
HIGH HEELS
MEIN VERHÄLTNIS ZU HOHEN HACKEN IST ZWIESPÄLTIG. Ich sehe sie mir gerne an und kaufe sie noch lieber ein. Aber tragen mag ich sie nicht. Bei einer Größe von 1,80 Meter habe ich 12 Zentimeter extra nicht wirklich nötig. Denn welche Frau ist schon gerne freiwillig 1,92 Meter groß? Aber als Model kommt man einfach nicht drum herum, sich mit den Dingern irgendwie anzufreunden und möglichst auch noch einen amtlichen Hüftschwung auf dem Laufsteg darin hinzulegen.
Wer weiß, wie meine Karriere verlaufen wäre, wenn ich gleich bei meinem ersten Auftritt als Model hohe Schuhe hätte tragen müssen. Vielleicht wäre ich nicht so weit gekommen.
Es war 1995. Ich hatte aus Spaß ein Foto von mir beim Modelwettbewerb Bravo Boy & Girl eingeschickt und war wundersamerweise unter den letzten 20 Bewerbern gelandet. Mit 15 hatte ich gerade erst meine schlimme Boyband-Phase überwunden (ich war eines dieser Mädchen, die heute weinend und kreischend bei Justin Bieber in der ersten Reihe stehen) und die Veranstaltung war für mich ein Ausflug in die aufregende Welt der Popstars: Heike Makatsch moderierte vor einem riesigen Publikum und Caught in the Act, Rednex und Scooter traten auf.
Meine Konkurrenten und ich mussten insgesamt drei Mal während der Show laufen. Ich hatte dabei eine knackenge, kreischorange Latexhose an, die mir – mal wieder! – zu kurz war, und trug dazu entweder todschicke Plateauturnschuhe oder etwas ähnlich Peinliches. Die Neunziger sind für mich, was für die Generation meiner älteren Schwester die Achtziger sind. Man möchte sich im Nachhinein nur schämen und von der nächstgelegenen
Brücke stürzen für die unzähligen Modesünden, die man begangen hat.
Bei der Wahl musste ich aber zumindest keine hohen Schuhe tragen. Ich hatte noch nie auf High Heels gestanden und wahrscheinlich wäre ich mit den Absätzen nicht mal bis auf die Bühne gekommen. Als ich später zum ersten Mal welche anprobierte, musste ich nämlich feststellen, dass ich kaum darin laufen konnte.
Mit meinem gekonnten Gang in Plateauturnschuhen wurde ich zwar nicht das Bravo Girl des Jahres, trotzdem nahm mich eine Modelagentur unter Vertrag. Zur Vorbereitung auf das, was mich nun erwartete, bekam ich eine Checkliste mit allem, was bei Castings zu beachten war. Die Punkte reichten von »Ach so« (Ein Mädchen sollte bei einem Termin mit Kunden ungeschminkt erscheinen) bis »Musste das wirklich gesagt werden« (Ein Mädchen sollte sich die Beine und Achseln rasieren). Der Liste zufolge sollte ein Mädchen auch immer in hohen Schuhen zum Casting kommen. Wenn ich in meinem neuen Job bestehen wollte, blieb mir also nichts anderes übrig, als zu üben. Erst recht, nachdem ich bei einer
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