Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
Er war der schüchterne Streber, der das Mädchen nicht kriegt. Jedenfalls hat das Mädchen irgend so was zu dem coolen Helden gesagt. Der war total verwirrt. Wusste nicht, ob sie nett oder unverschämt war. Und schon war er ihr verfallen. Mit so was machst du dich geheimnisvoll. Dann kann Joe dich gar nicht mehr ignorieren.«
»Aber es klingt irgendwie … aufdringlich.«
Ich lache. »Ich wette, er ist Schlimmeres gewohnt.«
Jenny nickt. Sie hat mir von Fans erzählt, die sich vor ihn stellen und sich das T-Shirt hochziehen. »Ich könnte es versuchen. Schlimmer kann es nicht werden.«
»Und wie war es?« Ich muss es wissen. »Bevor du dich in Wackelpudding verwandelt hast, meine ich? Als er …«
Ihr Blick schweift in die Ferne.
»Wunderschön«, haucht sie. Ewigkeiten vergehen, während sie auf der Suche nach den richtigen Worten für das Mega-Ereignis ist. »Er hatte Mentos gegessen, deshalb hat er ein bisschen nach Zahnpasta gerochen. Aber abgesehen davon war es wunderschön.«
MENTOS?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich in nächster Zeit einen vonJenny Merritt verfassten Liebesroman lesen würde, aber ich bekomme eine grobe Vorstellung.
Eine Weile sitzen wir schweigend da. Dann erinnere ich mich daran, wie Jenny auf dem roten Teppich aussah, und ich bekomme eine Gänsehaut.
»Und in was wollen sie dich diesmal stecken?«
»Nichts.« Sie kichert. »Ich meine, nicht, dass ich nichts anhaben soll. Aber sie interessieren sich nicht mehr dafür. Ich glaube, sie haben mich aufgegeben.«
»Fantastisch! Wir sind frei! Was willst du tun?«
Ich sehe ein Glitzern in ihren Augen.
»Dreimal darfst du raten.«
Anscheinend erwartet sie, dass ich die Antwort kenne. Aber es gibt so viele Designer da draußen, ich habe keine Ahnung.
»Du willst dich bei Selfridges umsehen?«
»Nein, du Dussel. Ist das nicht sonnenklar? Krähe natürlich. Das habe ich vor, seit ich ihre Zeichnungen zum ersten Mal gesehen habe. Ich meine, von mir aus kann sie mich als Gurke verkleiden; schlimmer als das, was ich hinter mir habe, kann es nicht werden. Aber als ich ihre Entwürfe im Atelier gesehen habe … traumhaft! Ich glaube, sie kann was echt Tolles für mich zaubern. Das ist mein Beitrag, um sie zu unterstützen. Mein richtiger.«
Ich strahle sie an, und sie lehnt sich zurück und sieht sehr zufrieden mit sich aus. Allerdings bin ich mir in diesem Moment nicht ganz sicher, ob das schlichte Tragen eines von Krähes Kleidern ebenso viel wert ist, wie ihr das Lesen beizubringen oder sie mit einem Atelier und Stoffen zu versorgen.
Was nur zeigt, wie wenig ich weiß.
Zuerst kommen die Schuhe.
Wir sind auf dem Portobello-Markt und bewundern den Stand, der dank Skye Krähes Röcke und Kleider verkauft. Krähe schickt ihre Sachen schon seit ein paar Wochen hierher, und wir sind gekommen, um sie zu bestaunen, aber wir haben kein Glück.
»Tut mir leid, ihr Süßen«, sagt Rebecca, die Standbesitzerin. Sie trägt Röhrenjeans und eine Ethno-Tunika, die wahrscheinlich so viel gekostet haben wie ein Kleinwagen. »Seit heute Morgen ist alles ausverkauft. Ich habe sogar eine Warteliste für die neue Ware. Es hat sich rumgesprochen. Sogar Models wollen das Zeug. Designstudenten. Szeneleute. Ihr könnt sie nicht zufällig dazu bringen, die Produktion etwas zu beschleunigen, oder?«
Rebecca scheint zu glauben, Krähe hätte ein Studio voller Arbeiterinnen, die ihre Entwürfe nähen. Zwar kommen ab und zu ein paar von Skyes alten Kommilitonen aus Saint Martins vorbei, mit denen sie sich angefreundet hat, und helfen ihr, aber die meiste Zeit ist da nur das zwölfjährige Mädchen und seine kleine Nähmaschine. Ich staune, dass sie überhaupt so viel schafft.
Edie würde am liebsten gleich wieder gehen, aber Jenny und ich sind im Modeparadies und lassen uns nicht so schnell ausbremsen. Rebeccas Stand ist weniger eine Marktbude als ein perfekter begehbarer Kleiderschrank, zum Bersten voll mit Einzelteilen neuer Designer und Vintage – klassischen Stücken aus älteren Kollektionen im Retro-Stil. Die Zielgruppe sind offensichtlich junge Leute, die ständig auf Partys gehen und jede Menge Geld haben. Die Kleider sind wunderschön, die Preise schwindelerregend. Ich hätte nie gedacht, dass Flohmarkt-Klamotten so viel kosten können. Während ich über den Preis einer klitzekleinen Rüschenbluse staune, zeigt Jenny auf ein Paar hohe silberne Vintage-Pumps von Christian Louboutin und holt das Portemonnaie heraus.
»Du machst Witze!«,
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