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Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden

Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden

Titel: Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Bennett
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Zeichnungen gesehen. Der Einfluss von Dior und Balenciaga ist ganz deutlich. Du schwärmst für Dior?«
    »Ja«, flüstert Krähe und setzt sich zu Grannys Füßen. Sie kann es nicht wissen, aber zufällig ist es das Beste, was sie tun kann. Granny wuchs in einer Zeit auf, als es sich gehörte, dass Kinder älteren Leuten zu Füßen saßen und bewundernd zu ihnen aufsahen. Meine Generation neigt eher dazu, sich aufs Sofa zu fläzen und Leute wie Granny misstrauisch zu beäugen, was weniger gut ankommt.
    »Meine Mutter hat 1947 ein Kleid aus Diors erster New Look -Kollektion gekauft. Als ich jung war«, fährt sie fort, »habe ich zu jedem Anlass Dior getragen. Oh, allein die Anproben in Paris! Was für ein Vergnügen!«
    »Kennen Sie Yvette Mansard?«, fragt Krähe neugierig. »Sie hat für Dior gearbeitet.«
    »Yvette?« Granny überlegt eine Minute. »Im Flou-Atelier? Sie war auf Kleider spezialisiert, nicht wahr? Sie war eine Legende. Lebt sie noch? Sie muss über neunzig sein.«
    »Zweiundneunzig. Sie bringt mir das Nähen bei.«
    Ein riesiges Lächeln breitet sich auf Grannys Gesicht aus, und sie ist kurz davor, Krähe zu küssen, die das geschafft hat, woran all meine anderen Freundinnen gescheitert sind: Sie und Granny haben eine gemeinsame Freundin. Und nicht nur das, eine Freundin, die Granny an die schönste Zeit ihres Lebens erinnert, bevor das Familienvermögen für die Liebhaber ihrer Mutter, Erbschaftssteuern, Reparaturen am Dach, Mums Ausbildung und den armen Onkel Jack draufging (der in East Anglia in einem Bungalow lebt, MG-Sportwagen repariert und angeblich Drogen nimmt), wie sie uns regelmäßig erinnert.
    In diesem Moment kommt Mum mit einem Tablett herein, auf dem die feinen Porzellantassen mit Untertassen, Teekanne, Milchkrug und Zuckerdose stehen (Granny nimmt keinen Zucker, aber sie findet es unverzeihlich, wenn die Zuckerdose fehlt). Granny winkt ab.
    »Euer entzückender Gast und ich wollen dem Atelier einen Besuch abstatten. Wir haben uns sehr viel zu erzählen. Stört uns also bitte nicht.«
    Und so rauschen sie davon, Krähe selig in Grannys Kielwasser.
    Mum und ich sehen uns erstaunt an. Ich helfe ihr, das Tablett in die Küche zurückzubringen.
    Wie immer, wenn sie zu Besuch ist, übernimmt Granny das Regiment in unserem Haus. Harry hat das Glück, dass er gerade durch Indien reist und ihm die üblichen Fragen nach dem Studium und seinem Liebesleben erspart bleiben. Mum dagegen wird ausgiebig nach ihrem Liebesleben befragt (bzw. dem mangelnden Liebesleben) und als SO enttäuschend abgestempelt. Ich darf, zurzeit,noch keins haben. Stattdessen mache ich den Hol- und Bringdienst der Familie und lasse die Hälfte meiner Garderobe für zu bizarr oder zu billig erklären. Krähe ist der Star der Familie.
    Granny führt uns alle ins Ritz aus und überredet Krähe, auch Florence und Yvette Mansard einzuladen. Für jemanden, der den Großteil seines Lebens damit verbringt, einem verprassten Familienvermögen nachzutrauern, das von Eltern und Kindern »durchgebracht wurde«, scheint sie für üppiges Essen, neue Schuhe und umwerfenden Schmuck (»das Nötigste«, würde sie sagen) eine erstaunliche Menge Bargeld übrig zu haben.
    Yvette, stellt sich heraus, führt seit einigen Jahren ein ruhiges Leben in London, nachdem sie nach ihrer Pensionierung von Paris übergesiedelt ist, um mit ihrer Freundin zusammenzuziehen. Yvette ist eine Wucht. Wenn überhaupt, ist sie noch toller, als Krähe erzählt hat. Sie und Granny schwelgen stundenlang in Erinnerungen an Kunden, Anproben, Kostüme, Kleider und kleine Orte in Paris, die beide kennen. Krähe saugt jedes Wort auf und isst kaum etwas. Dann sagt Yvette, dass Krähe nicht nur voller origineller Entwürfe steckt, sondern auch eine der talentiertesten Näherinnen ist, die sie je gesehen hat, und Granny hätte nicht liebenswürdiger sein können, wenn sie beim Maharadscha persönlich zu Besuch wäre.
    Eine Pause entsteht, als die älteren Teilnehmerinnen der Runde sich ganz den Seufzern und der Nostalgie hingeben.
    »Was ist bloß aus all den Kleidern geworden?«, murmelt Yvette wehmütig.
    »Oh, ich habe sie alle aufbewahrt«, sagt Granny trocken. »Meine, und die meiner Mutter. Es sind Erbstücke. Die würde ich nie weggeben.«
    Mum und ich sind fassungslos. Mum denkt wahrscheinlich an die Millionen von Anlässen, bei denen sie ein geliehenes Haute-Couture-Teil gebraucht hätte, bevor es ihr die Modelkarriere ermöglicht hat, sich selbst ein paar

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