Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
Svetlana umsieht, die mit der Jury am Tisch sitzt, schafft er es, ein einigermaßen intelligentes Gespräch zu führen. Dann gesellt sich Mum zu uns. Sie hat sich mit mehreren Insidern und Journalisten unterhalten, die sich am Rand des Saals herumtreiben. Sie macht ein ernstes Gesicht.
»Es ist Laslo, oder?«, fragt Harry.
Sie nickt. »Alle sind sich einig. Von Anfang der Jury-Sitzung an, noch bevor sie bedacht haben, was von wem ist, war klar, dass es auf die Entwürfe von Krähe und Laslo hinausläuft. Sie spielen eindeutig in einer anderen Liga als der Rest. Und Laslo ist ziemlich …«
»Beige?«, schlage ich vor, Granny zitierend.
Mum nickt wieder. »Aber dann haben sie sich angesehen, wer was entworfen hat. Laslo hat für nächstes Jahr einen Vertrag mit einem italienischen Modehaus so gut wie in der Tasche. Und Krähe ist, na ja, ein Niemand. Sie fürchten, bei ihr könnte der Preis verschwendet sein. Dass sie eine Eintagsfliege ist, und das war es dann. Und mit dem Preis wollen sie eigentlich helfen, den Sieger großzumachen. Außerdem befürchten sie, dass Krähe das Handwerk fehlt.«
»Das ist doch Quatsch. Krähe bringt sogar einigen Studenten das Zuschneiden bei.«
Mum hebt hilflos die Hände.
»Sie kennen sie eben nicht. Krähe ist ein Kind ohne Ausbildung. Laslo ist … der neue Star.«
Danach habe ich keine Lust mehr, mir die Siegerehrung anzusehen. Mein Magen war den ganzen Tag verknotet und mir ist ein bisschen schlecht. Ich brauche frische Luft. Granny ist ganzvorne an einem der Tische und unterhält sich mit einem dürren alten Knacker mit unnatürlich schwarzem Haar, den sie wahrscheinlich von irgendeiner Party kennt. Mum, Yvette und Harry sitzen unglücklich an unserem ansonsten leeren Tisch. Seltsamerweise entdecke ich Krähe bei Laslos Gruppe von Saint-Martins-Schülern, und sie wirkt, als hätte sie keine Sorgen.
Ich gehe allein aus dem Zelt, schlendere die Parkwege entlang und lande schließlich an einem buddhistischen Pavillon mit Blick auf die Themse. Am Fuß des Tempelchens steht eine sehr hübsche blonde Frau im kleinen Schwarzen und raucht in Ruhe eine Zigarette. Sie winkt mir zu.
»Bist du auch auf der Saint-Laurent-Veranstaltung?«, fragt sie.
Ich nicke unglücklich. Sie bietet mir eine Zigarette an. Ich bin traurig, aber selbstmordgefährdet bin ich nicht, also lehne ich ab.
»Hat Laslo schon gewonnen?«, erkundigt sie sich.
Ich schüttele den Kopf. »Aber er ist kurz davor. Ich wollte es mir nicht anhören.«
»Warum?«
Sie klingt neugierig und freundlich, und ich brauche eine Schulter, an der ich mich ausheulen kann. Und so schütte ich ihr mein Herz aus, meine ganze Enttäuschung über die Ungerechtigkeit der Jury.
»Es ist ein abgekartetes Spiel. Den Wettbewerb hätten sie sich auch sparen können. Wozu der Aufwand? Es hätte Krähes große Chance sein können. Und ich weiß nicht, wie viele große Chancen man im Leben bekommt. Das Verrückte ist, dass Krähe wahrscheinlich mehr Kleider gemacht hat, die die Leute tatsächlich anziehen, als Laslo sich jemals erträumen kann.«
»Ach ja?«
In der Hoffnung, dass sie nicht Laslos Freundin oder so was ist, erzähle ich ihr von Krähes Kleidern für Jenny, dem Stand auf dem Portobello-Markt, Svetlana – all die Zeitschriften, in denen Krähes Kleider gezeigt wurden.
»Sie macht Kleider, seit sie acht ist. Sie arbeitet mit einer Schneiderin aus Paris zusammen. Sie kennt sich mit Haute-Couture-Techniken aus. Sie zeichnet Tag und Nacht. Ich habe mal nachgerechnet. Sie muss über zehntausend Entwürfe gezeichnet haben, seit sie in England ist. Sie kann Dior und Saint Laurent und außerdem Sachen, die so neu sind, dass einem die Augen rausfallen. Die hier zum Beispiel.« Ich zeige auf meine Röcke, deren zarte Blütenblätter in der Abendbrise gaukeln.
Die blonde Frau nickt schweigend vor sich hin. »Ehrlich gesagt, ich glaube, ich habe auch ein paar Kleider von ihr«, sagt sie dann. »Von dem Stand auf dem Portobello-Markt. Ich shoppe da immer. Wunderschöne kleine Dinge. Feenkleider. Und du hast Recht, sie kann nähen. Woher kennst du sie?«
Ich erzähle der blonden Frau vom Schulbasar und von der Lesenachhilfe. »Wir wollten ihr helfen. Meine Freundin Edie macht die ganze Arbeit«, sage ich schließlich. »Und Jenny trägt ihre Kleider. Was ich tue, weiß ich eigentlich gar nicht.«
»Ich schon«, entgegnet sie lächelnd. »Übrigens, ich bin Amanda.« Sie gibt mir die Hand.
»Nonie.«
»Nett dich
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