Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
Funkeln, und nur die dümmste Freundin käme nicht sofort dahinter, was es damit auf sich hat. Jetzt scheint mir ein guter Zeitpunkt, nachzufragen, ob es eine neue Entwicklung gibt.
»Hat er sich gemeldet?«, frage ich beiläufig und strecke die Hand nach einem Keks aus.
»Das hat er tatsächlich«, sagt sie und reicht mir den letzten. »Er hat mir ein paarmal gemailt.«
»Wow.«
»Na ja«, murmelt sie und lacht künstlich. »So aufregend ist es auch nicht. Du weißt schon, unpersönliches Zeug. Lila dreht in Kanada, und er ist in New Mexico.«
Lila Riley ist die rattenscharfe Freundin. Irgendwas an der Art, wie Jenny sie erwähnt, ist komisch.
»Und?«
»Ach, nichts. Er scheint sie gerade nicht sehr zu vermissen. Er schreibt, wie sehr es ihm in London gefallen hat. Die Sehenswürdigkeiten.«
»Irgendwelche Sehenswürdigkeiten im Besonderen?«
»Nein«, sagt sie.
Ich kontrolliere ihr Gesicht. Waldbeerrot. Vom Ausschnitt zu den Schläfen.
»Kommt er mal wieder?«
»Wahrscheinlich. Im Februar. Die BAFTA-Auszeichnungen. Falls wir nominiert sind.«
»Aber das seid ihr bestimmt, oder? Jeder sagt, dass Kid Code alle Preise abräumt.«
»Vielleicht. Außer dem für die beste Nebendarstellerin natürlich. Aber sie wollten trotzdem, dass wir alle erscheinen, also bin ich auch eingeladen, und ich wohne schließlich in London …«
Sie klingt immer noch betont beiläufig. Ihr Blick ist geradeaus gerichtet. Die Waldbeeren verblassen allmählich. Ich nehme an, sie zählt die Tage.
Dann, während einer besonders spannenden Szene der Gossip Girl- Folge, als ich mich konzentrieren muss, erwähnt sie nebenbei, dass es für Stars wahnsinnig schwierig ist, per E-Mail zu kommunizieren. Alles könnte abgefangen werden, und sie müssen die ganze Zeit in einer Art Code sprechen. Ich ahne, dass sie selbst codiert spricht. Und frage mich, wofür steht: »Mir haben die Sehenswürdigkeiten gefallen.«
Später googele ich Joe Yule und Lila Riley. In der Hälfte der Blogs steht, sie haben sich getrennt, in der anderen Hälfte, sie wärendas stärkste Teenager-Liebespaar in Hollywood. Interessehalber versuche ich Joe Yule und Jenny Merritt, aber es kommt nur das Foto von den National Movie Awards heraus, auf dem Jenny das Marilyn-Monroe-Kleid trägt. Falls Joe irgendwelche Sehenswürdigkeiten im Besonderen meinte, hat es in der Blogosphäre noch niemand mitbekommen.
Ich versuche mir jetzt, da ich ständig mit Supermodels und Modewettbewerbsfinalistinnen zu tun habe, vorzustellen, meine beste Freundin wäre mit dem neuen Teenager-Sexgott zusammen, um zu sehen, ob es mir diesmal leichter fällt. Doch es scheint immer noch vollkommen unmöglich. Andererseits war ich letztes Jahr bei den Dreharbeiten nicht dabei, und vor der Tür zur Festival Hall hat er auch nicht mir ins Ohr geflüstert.
Ich weiß nicht, was ich denken soll, aber ich weiß, egal, was sich im Moment abspielt, es macht Jenny so selig, dass sie morgens praktisch zur Schule schwebt. Und das soll was heißen, wenn an einem kalten, regnerischen Herbstmorgen eine Doppelstunde Geografie ansteht.
Zu Hause trägt Mum das Datum der Yves-Saint-Laurent-Preisverleihung in Großbuchstaben in ihr BlackBerry und mit roter Tinte in den Küchenkalender ein, der inzwischen unter einem von Harrys Fotos und neben zwei gerahmten Bildern von Krähes tanzenden Mädchen hängt. Von mir hängt nichts mehr an diesen Wänden, seit ich fünf war, da bin ich anscheinend aus meinem »naiven Stil« herausgewachsen.
Granny kommt zu Besuch und besteht darauf, sich die Geschichte von Anfang bis zum Ende erzählen zu lassen. Auch sie findet den Entwurf ganz wunderbar.
Edie erwähnt den Wettbewerb in ihrem Blog und hat die Größe zuzugeben, dass sie viel mehr Klicks bekommt, seit sie zu mindestens fünfzig Prozent über Mode und weniger über Recycling und sauberes Wasser berichtet.
Jenny verbringt Ewigkeiten damit, im Kopf das Kleid zu entwerfen, das sie zum Finale tragen will, und ist fassungslos, als siehört, dass Krähe nicht genug Eintrittskarten bekommt, um sie mitzunehmen.
»Aber ich bin ihre beste Kundin!«, jammert sie.
»Bis auf das Supermodel«, wende ich ein. Jenny muss zugeben, dass ich wahrscheinlich Recht habe.
Selbst Harry erwähnt die Preisverleihung mindestens einmal am Tag, denn es ist seine erste Gelegenheit, Svetlana wieder zu begegnen. Er hat versucht, sich mit ihr zu verabreden, aber sie scheint die meiste Zeit ihres Lebens in Flugzeugen zu verbringen –
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