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Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden

Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden

Titel: Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Bennett
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fragen, wie ich Amanda und den Fashion-Week-Leuten die schlechte Nachricht am besten beibringen kann. Natürlich habe ich zuerst daran gedacht, Mum zu fragen. Eine Nanosekunde lang. Aber dann hätte ich ihr erklären müssen, wie ich überhaupt so tief da reingeraten bin, und dazu habe ich im Moment nicht die geringste Lust. Nicht meiner Mutter. Nicht, bis ich die Dinge einigermaßen wieder im Griff habe.
    »Harry«, rufe ich und stürze, ohne anzuklopfen, in sein Zimmer. Erschrocken sieht er von seiner Anlage auf. Wir haben eine Hausregel, die besagt: ANKLOPFEN ODER DU WIRST ENTERBT. Allerdings hat es gar keinen Zweck, wenn die Musik so laut ist.
    »Kann ich mit dir reden?«
    Er denkt kurz nach, dann stellt er die Musik aus. Plötzlich ist es beklemmend still im Haus. Ich stehe unbehaglich da und berichte ihm von Krähes Reaktion auf die Idee mit der Modenschau, von dem Meeting mit Amanda und ihrem angekündigten Besuch in weniger als einer Woche. Am Anfang ist mir alles noch sehr peinlich, doch je länger ich rede, desto enttäuschter bin ich von Krähe. Bin ich etwa schuld, dass sie diese Riesenchance ausschlägt? Dass sie ihr Leben verpasst? Dass sie aufgehört hat Kleider zu entwerfen? Dabei hatte Edie diese tolle Idee, wie wir den Menschen in den Flüchtlingslagern ihres Landes helfen können – aber Krähe weigert sich. Sogar von den T-Shirts erzähle ich Harry.
    Ich erwarte Mitgefühl. Jede Menge. Stattdessen bekomme ich einen ernsten Blick von ihm und Schweigen, eine Weile lang.
    Irgendwann sagt Harry: »Also hast du gar nicht richtig mit ihr geredet?«
    »Na ja, ich versuche es schon, aber sie redet ja nicht viel.«
    Er sieht mich immer noch so seltsam an. Ich spüre die Hitze in meinen Wangen. Ich frage mich, wie fair ich wirklich bin. Harry macht keinen Mucks. Seine Pupillen stechen wie Nadeln. Als er spricht, ist seine Stimme leise, und ich kann seinen rauen Atem hören.
    »Krähe ist die, die bei den Nachtwanderern war. Ihre Familie lebt in einem Flüchtlingslager. Aber ist dir schon mal aufgefallen, dass sie nie darüber sprechen will?«
    »Doch, klar.«
    »Vielleicht will sie nicht ständig daran erinnert werden. Vielleicht war es noch viel schlimmer, als du dir je vorstellen kannst. Für Edie scheint es so was wie ein Projekt zu sein. Ein paar Punkte für ihren Lebenslauf. Ein cooles rosa T-Shirt mit einem Slogan. Ich wette, für Krähe ist das anders.«
    Plötzlich werde ich so wütend, dass mir die Worte fehlen. Mehr als alles andere in der Geschichte des Universums hasse ich es, wie ein kleines dummes Mädchen behandelt zu werden. Und das Einzige, was noch schlimmer ist, ist, wenn es mein eigener Bruder tut. Woher will er wissen, was Krähe denkt? Woher will er wissen, was Edie denkt? Wie kann er behaupten, dass Edie das alles nur tut, um Punkte für ihren Lebenslauf zu sammeln?
    Und woher wusste er, dass die T-Shirts rosa sind? Kann er Gedanken lesen?
    Ich stürme aus seinem Zimmer und renne hinauf in meins, wo ich mich sofort an den Computer setze und Edie eine Nachricht schicke. Die Sache mit den T-Shirts und dem Lebenslauf lasse ich aus. Ich sage ihr nur, wie wütend ich bin, dass wir dieser kleinen Person so gerne helfen würden, aber sie uns EINFACH NICHT LÄSST.
    Zuerst gibt mir Edie Recht, aber am nächsten Tag in der Schule ist sie sich nicht mehr so sicher.
    »Ich habe nachgedacht«, sagt sie.
    »Und?«
    »Hast du dich je ernsthaft gefragt, warum sie nicht über zu Hause reden will?«
    »Weil es so schrecklich war?«
    »Was ist, wenn Harry Recht hat? Was ist, wenn es viel schlimmer war, als wir uns vorstellen können?«
    »Wie, schlimmer?«
    »Wenn die Rebellen doch bis in ihr Dorf gekommen sind? Wenn jemand gestorben ist.«
    »Wer?«
    »Das weiß ich auch nicht. Eine Freundin? Eine Tante? Könntest du nicht versuchen, sie zu fragen?«
    »Wann denn? Ich sehe sie ja nicht mehr.«
    »Ich auch nicht. Sie kommt nicht mehr zum Lesen.«
    Ich verspreche, dass ich versuche, mir was einfallen zu lassen.
    Als ich nach Hause komme, ist niemand da. Harry ist im College, und Mum tut, was immer sie tut, wo immer sie es tut, wenn sie nicht oben in ihrem Wandschrank ist.
    Es ist dunkel und kalt. Selbst bei brennenden Lichtern und laufender Heizung fühlt es sich dunkel und kalt im Haus an. Ich gehe in die Küche. Mum hat einen Zettel hingelegt. Ich denke, er ist für mich, und fange an zu lesen, aber es ist nur eine Liste für die Putzfrau.
    Was mich an etwas erinnert.
    Ich ziehe mir den Mantel wieder

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