Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden

Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden

Titel: Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Bennett
Vom Netzwerk:
hier, in meinem Herzen, aber ich wusste nicht mehr, wie sein Gesicht aussieht. Bis Tante Florence gestern die Fotos rausgeholt hat. Als ihr weg wart, haben wir uns seine Witze erzählt. Er hatte immer die Nase in seinen Büchern, außer wenn er mit mir gespielt hat.«
    »Es tut mir so leid«, unterbreche ich sie. »Was Edie und ich getan haben. Dass wir dich zu der Modenschau überreden wollten. Das war so egoistisch. Es ging mir nur um mich. Ich wollte nicht mehr nur Tee kochen. Ich wollte Models aussuchen und Veranstaltungsorte, und Einladungen entwerfen und Leute kennenlernen und den ganzen Rummel erleben. Allein hätte ich das nicht gekonnt. Dafür brauchte ich dich.«
    Plötzlich sehe ich es ganz klar. Die ganze Zeit war ich es, die Krähe brauchte, nicht umgekehrt.
    Sie antwortet mir nicht direkt.
    »Ich habe über meinen Vater nachgedacht«, sagt sie. »Seitdem Brief, den er mir geschrieben hat. Dass ich keine Kleider mehr machen soll. Sondern mich auf die Schule konzentrieren. Mein Vater ist ein guter Mensch.«
    Dagegen habe ich nichts einzuwenden. James Lamogi ist ein beeindruckender Mann. Vielleicht nicht unbedingt mein Favorit als Partybegleitung, aber ein guter Mensch ist er bestimmt.
    Ich versuche ermutigend zu klingen.
    »Mode ist wahrscheinlich ziemlich … unbedeutend im Vergleich zu … wichtigeren Sachen.«
    Ich weiß nicht genau, was ich mit »wichtigeren Sachen« meine. Ich schätze, ich meine »Edies Sachen« im Vergleich zu »meinen Sachen«.
    »Henry wäre da anderer Meinung.« Plötzlich kichert Krähe. »Henry war ganz anders als mein Vater. Er hätte gesagt, dass mein Vater sich wie ein kalter Fisch benimmt. ›Kalter Fisch‹, das war sein Lieblingsausdruck. Henry hat immer gesagt, im Leben geht es nicht nur um Arbeit. Im Leben geht es um Poesie und um das Blau im Himmel. Und dann hat er mich hochgehoben und hat sich mit mir im Kreis gedreht, bis mir schwindelig war und wir umgefallen sind. Er war immer gut in der Schule. Ich war nie gut in der Schule, aber das fand Henry nicht schlimm.«
    Während sie redet, zeichnet sie ein Kleid mit drapiertem Oberteil und Wasserfallrock. Immer wieder neu, mit kleinen Variationen. Plötzlich hört sie mit dem Zeichnen auf und schüttelt den Kopf, als wäre sie unzufrieden.
    »Ich war so gemein zu dir. Und zu Edie auch. Ich weiß, ihr wollt mir nur helfen. Aber Edie redet ständig von Kindersoldaten. Du weißt, wozu sie sie zwingen. Deswegen konnten wir die ganze Zeit nicht über Henry reden.«
    Ich spreche es für sie aus. Es muss ausgesprochen werden. Auch ich habe schon daran gedacht.
    »Wahrscheinlich hat Henry Menschen töten müssen. Ich weiß.«
    Ihre Stimme ist ein kaum hörbares Flüstern.
    »Ja.«
    »Aber du hast ihn trotzdem lieb, oder?«
    Ich meine es nicht als Frage. Eher als Tatsache. Sie nickt.
    »Sehr.«
    »Das ist das Einzige, was zählt. Er hat es schließlich nicht tun wollen .«
    »Henry? Niemals! Er ist ein Träumer!«
    »Und er war noch ein Kind. Das ist er immer noch.«
    Wir schweigen. Es ist, als würden die Worte »falls er noch lebt« über uns im Raum schweben.
    »Weißt du«, sagt Krähe nach einer längeren Pause, »es ist schön, mit dir über Henry zu reden. Er war es, der mich Krähe genannt hat. Er hatte den Namen aus einem Gedicht von diesem Mann. Dem Dichter, von dem Tante Florence geredet hat.«
    »Ich verspreche dir, immer wenn ich dich Krähe nenne, denke ich an Henry.«
    Sie lächelt ein heimliches Lächeln. Dabei scheint sie über etwas nachzudenken.
    »Henry hätte gewollt, dass ich die Modenschau mache«, sagt sie nach einer Weile.
    Ich bin verblüfft.
    »Aber ich … ich will nicht … ich habe nicht versucht, dich umzustimmen«, stottere ich betroffen. »Ich meine, ich verstehe wirklich gut, warum du es nicht machen willst.«
    »Genau das ist das Problem«, sagt sie. »Ich will ja. Ich wollte es die ganze Zeit. Sehr sogar. Außerdem … du brauchst mich. Das hast du selbst gesagt.«
    Sie grinst. Im ganzen Zimmer wird es heller, wie immer, wenn sie lächelt. Sie hat wirklich das strahlendste Lächeln, das ich kenne.

  
    Amanda Elat hat ihren Besuch für Samstag um zehn Uhr angekündigt.
    Um fünf nach hält ihr roter Mini mit quietschenden Reifen vor der Tür. Krähe und ich sitzen im Wohnzimmer und sehen aus dem Fenster. Schon seit neun ist Krähe im Atelier am Werk und hat die Entwürfe sortiert, an denen sie zu Hause gearbeitet hat, nachdem sie nicht mehr hergekommen ist.
    Zwei Stunden später sitzt

Weitere Kostenlose Bücher