Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
Augen. Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. »Mein Vater hat mich hergeschickt, um zu lernen und gute Noten zu bekommen. Er will nicht, dass ich … ein Irrwisch werde. Laslo soll die Kollektion übernehmen. Kannst du Amanda das ausrichten?«
Ich stelle mir vor, wie ich es Amanda ausrichte. Laslo Wiggins kann die Kollektion nicht übernehmen. Laslo ist beige und er ist nicht Krähe. Wenn Krähe es nicht kann, kann es keiner.
Ich nicke; sprechen kann ich nicht. Aber ich muss es noch ein letztes Mal versuchen.
»Sieh es doch mal so. Du hast Glück gehabt. All deine Lieben sind in Sicherheit. Deiner Familie geht es gut. Ist das nicht fantastisch? Du bist frei. Und ich kann dir helfen. Und Mum. Und Amanda.«
Denn ich ertrage den Gedanken nicht, dass all ihr Talent zurück in die Schachtel wandert und sie wieder tagein, tagaus von den Unheilsschwestern gemobbt wird.
Doch Krähes Ausdruck wird hart. Ich muss zugeben, sie sieht richtig unheimlich aus.
»Richte es ihr aus«, verlangt sie, ohne mir einen Schimmer Hoffnung zu lassen.
Am nächsten Tag nach der Schule kommt sie nicht ins Atelier. Am übernächsten Tag auch nicht. Der silberne Pullover bleibt unfertig. Ihr Handy klingelt immer wieder im leeren Atelier, unbeantwortet, bis der Akku leer ist.
Na wunderbar. Ich habe nicht nur versagt, sie zum Weitermachen zu überreden, ich habe es sogar geschafft, dass sie der Mode ganz den Rücken kehrt.
Unweigerlich ruft Amanda an, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist.
»Ich erreiche Krähe nicht. Sie geht nie ans Telefon. In letzter Zeit hat sie eine tolle Presse bekommen. Wir haben ein paar interessante Sponsoring-Ideen, die ich mit ihr besprechen will. Wie kommt sie voran?«
Ich hole tief Luft. Eins. Zwei. Drei.
»Bestens.«
Ich kann es nicht.
»Gott sei Dank. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Ich habe noch keine endgültigen Entwürfe gesehen.« Sie wartet kurz. »Kann ich mal vorbeikommen und sehen, wie es läuft?« EinePause, als sie auf ihr BlackBerry sieht. »Wie wäre es nächsten Donnerstag?«
Eine weitere Pause. Ich mache meine Yoga-Atemübung. Sag es ihr. Sag es ihr.
»Ich glaube, am Donnerstag kann sie nicht. Irgendwas mit der Schule. Geht es auch Samstag?«
Als würden mich zwei Tage retten können.
Ich höre die Unsicherheit in Amandas Stimme. »Okay.« Pause. »Ach ja, und schafft sie es zu dem anderen Meeting? Am Montag mit den Organisatoren. Ich hatte ihr eine SMS geschickt. Wir haben das Treffen extra auf den Abend gelegt, damit es sich nicht mit der Schule überschneidet. Sie wollen über Marketing und den Veranstaltungsort und solche Dinge reden. Im Vorfeld ist noch jede Menge zu tun.«
»Sicher.« Inzwischen quieke ich schon. »Wobei, sie hat gesagt … sie hat gefragt, ob du was dagegen hättest, wenn ich für sie einspringe? Sie hat so viel zu tun mit … den Entwürfen und so weiter. Ich kümmere mich um das Organisatorische und … so weiter. Marketing. Veranstaltungsort. Die ganzen Sachen …«
Meine Stimme wird dünn. Sag es ihr, sag es ihr. Warum schaffe ich es einfach nicht? Ich weiß, dass ich in diesem Moment wahrscheinlich näher an einer echten, richtigen Kollektion bin, als ich es je wieder in meinem Leben sein werde, und ich bringe es einfach nicht übers Herz, meinen Traum zu begraben. Noch nicht. Jetzt noch nicht.
Ich werde am Montag zu dem Meeting gehen und es ihnen persönlich sagen. Das ist viel besser. Albern, etwas so Wichtiges am Telefon zu erledigen. Ich sage es ihnen persönlich, und dann ist es vorbei, und das war’s dann. Alles wird gut.
Amanda ist einverstanden, dass ich Krähe am Montag vertrete. Seit wir uns kennen, hält sie mich ohnehin für so was wie Krähes Managerin.
Später, nachdem ich sie beim Chatten lange genug angebettelt habe, kann ich Edie überreden, den Schachklub zu schwänzen und zu mir zu kommen. Ich brauche jemanden, der mir die Hand hält.
Am Wochenende kommt Edie vorbei, um mir bei Erdkunde zu helfen. Ich weiß selbst nicht, warum ich ausgerechnet Erdkunde als Prüfungsfach gewählt habe, wo ich immer noch den Atlantik mit dem Pazifik verwechsle, aber damals war es wohl das kleinere Übel.
Edie hat bei Krähe nicht mehr Glück als ich. Eigentlich treffen sie sich jeden Samstag zum Lesen, aber Edie sagt, die letzten Male hat sie geschwänzt.
»Wenn ich sie mal sehe, versuche ich mit ihr über die Petition und unsere anderen Publicity-Ideen zu reden, aber sie schließt mich aus. Ich habe fast das Gefühl, sie will
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