Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
festgehalten werden. Mum witzelt schon, dass sie mir ein BlackBerry zu Weihnachten schenken will, aber das wäre ziemlich deprimierend.
Andererseits – eigentlich könnte ich es ganz gut gebrauchen.
Weihnachten bei uns ist dieses Jahr nicht das Großereignis wie sonst immer. Irgendwie findet es zwischen all den Vorbereitungen statt. Trotzdem gibt es natürlich ein paar Geschenke. Krähe schenkt mir den silbernen Pullover. Anscheinend war er die ganze Zeit für mich bestimmt, selbst als sie nicht mit mir geredet hat.
»Mein Gott!«, ruft Mum. »Du hast eine Figur!«
Ich weiß. Es ist unfassbar, was gut gemachte Kleider bewirken können.
Ich schenke Krähe ein Buch mit irgendwelchen Gedichten von Ted Hughes. Das Gedicht, von dem sie ihren Spitznamen hat, ist auch darin. Ich würde nicht direkt sagen, dass sie sich in die Lektüre vergräbt, aber sie scheint glücklich zu sein, es in ihrer Nähe zu wissen. Sie steckt es in ihren Ranzen und lässt es dort.
Jennys und Edies Geschenke füreinander sind mehr so etwas wie Friedensgaben. Jenny spendet einen ansehnlichen Betrag ihres Kid Code -Gelds an Edies Kampagne. Edie schenkt Jenny ein Paar silberne Ansteckrosen (die ich auf dem Portobello-Markt gefunden habe), um ihre alten Louboutins aufzupeppen. Unter ihrer ganzen Edie-haftigkeit ist Edie wirklich sehr aufmerksam.
Auch in den Ferien ruft Amanda ständig wegen irgendwelcher Ideen und Vorschläge an. Sie ist beeindruckt von all der Publicity, die wir bekommen, und hat selbst eine ziemlich großzügige Summe für Edies Kampagne gespendet. Und sie hat nichts dagegen, dass das »Weniger Mode – mehr Menschlichkeit«-Logo bei Krähes Modenschau genauso groß wie das Miss-Teen-Logo sein soll. Trotz der Tatsache, dass Miss Teen davon lebt, Mode an Teenager zu verkaufen, und ziemlich dumm dastehen würde, wenn wir plötzlich alle unser Geld für wohltätige Zwecke ausgeben würden statt für niedliche T-Shirts und Miniröcke.
Dank Amanda bieten uns außerdem die verschiedensten Leute Gefälligkeiten an, so dass wir das Budget ein wenig strecken können. Und ehrlich gesagt braucht das Budget jede Streckung, die wir kriegen können, denn es ist unglaublich, wie schnell ein Betrag, der uns anfangs RIESIG erschien, von Seide, Schuhen, Druckkosten, Ateliermiete und dem ganzen Rest aufgefressen wird, selbst wenn wir alles, was wir können, selber machen. Falls ich je heirate, brenne ich vorher durch. Eine Großveranstaltung zu organisieren ist einfach Wahnsinn.
Amanda ist meistens ziemlich aufgeregt, wenn sie wegen irgendeiner neuen Idee anruft, doch diesmal klingt sie wie Jenny auf Helium.
»Große Neuigkeiten«, verkündet sie fiepend. »DJ Rémi hat gesagt, er übernimmt für Krähes Modenschau die Musik! Er ist ein alter Freund von mir. Ihr werdet begeistert sein.«
»Fantastisch«, sage ich und kann es kaum abwarten, DJ Rémi zu googeln, sobald sie aufgelegt hat.
»Er ist über Silvester in der Stadt und hat angeboten, zu euch ins Atelier zu kommen, um sich die Kollektion anzusehen. Seid sehr, sehr nett zu ihm. Er ist so eine Art Superstar.«
Sie gibt mir seine Telefonnummer und ich verspreche hoch und heilig anzurufen. Als ich DJ Rémi googele, begreife ich, dass die Ehrfurcht angemessen ist. Er ist DER DJ, den ALLE für ihre Modenschau haben wollen. Lagerfeld verehrt ihn. Galliano war auf seiner letzten Geburtstagsfeier. Donatella Versace hat ihn auf ihrer Kurzwahltaste.
Jetzt wünschte ich, ich hätte ihn nicht gegoogelt. Als ich ihn am Telefon habe, verrutscht meine Stimme. Ich kann es kaum glauben, aber er erklärt sich ganz lässig bereit, bei uns im Atelier vorbeizukommen und mit uns zu reden.
Und dann, als er nach Battersea kommt, findet er die Kollektion, deren schwungvolle Entwürfe die Wände tapezieren, FANTASTISCH.
»Die Röcke – diese Pouff. So Party. So weiblisch. Die Spitze. Die Farben. So STARK.«
Und sie sind stark. Wie bunte Edelsteine: Smaragdgrün, Saphirblau, Amethystlila und Rubinrot. Silber und Gold. Strahlen und Funkeln.
In seinem schwarzen Ledermantel und den schwarzen Lederhosen sieht DJ Rémi aus wie ein überdimensioniertes Portemonnaie, als er durch den Raum stolziert und alles befühlt und bestaunt. Wie ein Hündchen laufe ich neben ihm her und weiß nicht genau, was ich tun soll. Krähe bleibt, wo sie ist, an ihrem Schneidertisch, und legt den Kopf schräg. Sie wartet ab.
Dann zieht er einen iPod aus der Tasche, vernetzt ihn mit den Lautsprechern und spielt eine Liste von
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