Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
Flughafen und verspreche ihr, jede Sekunde von ihr in Chanel auf dem roten Teppich im Kabelfernsehen zu verfolgen. Sie ist so aufgeregt, dass sie kaum sprechen kann.
»Denk morgen Abend an mich«, krächzt sie.
Morgen Abend ist die Kid Code- Party. Ich verspreche es ihr. Es wird schwer, nicht an sie zu denken. Ich ringe ihr das Versprechen ab, mir eine SMS zu schicken, sobald sie wieder im Hotel ist, und mir zu berichten, wie es war.
»Morgen Abend« in Kalifornien ist übermorgen früh in London. Ich habe das Telefon auf den Nachttisch gelegt. Aber als ich aufwache, weil die Morgensonne durch mein Fenster flutet, ist immer noch keine Nachricht von ihr da. Ich warte den ganzen Morgen. Keine SMS. Im Kopf gehe ich tausend Möglichkeiten durch. Manche davon sind sehr unschicklich für eine fast Fünfzehnjährige. Manche sind fürchterlich. Aber die wahrscheinlichste Erklärung ist, Jenny hat sich so gut amüsiert, dass sie die SMS einfach vergessen hat.
Zum Glück gibt es das Internet. Ich googele die Kid Code- Party und will sehen, was die Gerüchteküche meldet. Gibt es zum Beispiel irgendein interessantes Update zum Liebesleben eines gewissen Mr Yule?
Das gibt es. Es gibt sogar ein Foto aller Stars mit ihren Begleitungen, wie sie für die Paparazzi posieren.
Joe steht im Vordergrund und strahlt wie der glücklichste Mann der Welt. Neben ihm steht ein Mädchen, das selig lächelt und ihr Designerkleid vorführt.
»Joe Yule im Glück an der Seite seiner neuen Flamme, des aufsteigenden Stars Sigrid Santorini.«
Im Hintergrund kann ich Jenny gerade so erkennen, in ihrem Dior-Kleid. Sie sieht aus, als wäre sie von einem Bus überrollt worden.
Sigrid Santorini hat letztes Jahr in einem spanischen Film mitgespielt, der als bester fremdsprachiger Film einen Oscar bekommen hat. Sie ist teils Schwedin, teils Spanierin, teils Italienerin und hundert Prozent Kalifornierin. Sie ist neunzehn, sehr talentiert und atemberaubend schön, vom Typ schwarze Haare, rote Lippen. Sie hat mit Joe Yule in Mexiko gedreht, und ihr Freund ist, oder war, einer der Produzenten. Neben ihr sieht Lila Riley aus wie Heidi aus der Zeichentrickserie. Wenn das der Typ ist, auf den Joe Yule steht, hat Jenny nie eine Chance gehabt.
Sie ruft nicht an, schickt keine Nachricht und antwortet auch nicht auf die vielen SMS, die ich ihr schicke.
»Ich wusste es«, sagt Edie, als ich ihr alles erzähle. »Oh, Nonie, du hörst dich auch ganz fertig an. Soll ich rüberkommen?«
Wir sehen uns die Preisverleihung zusammen an. Joe gewinnt den Preis für den Besten Nebendarsteller. Sigrid Santorini, die in einem schulterfreien Givenchy-Kleid schimmernd neben ihm sitzt, sieht angemessen begeistert aus, als er aufsteht und die Auszeichnung entgegennimmt. Jenny, die in ihrem schönengrauen Chanel-Kleid in der Nähe sitzt, sieht aus wie ein Gespenst. Wir spulen zu ihrem Auftritt auf dem roten Teppich zurück, der in null Komma nichts vorüber ist, und sie wirkt zwischen all den Plisseefalten und Federn etwas verloren. Rundum verloren. Selbst ihr Haar scheint einen Ton fahler geworden zu sein, ein trübes, schlammiges Orange. Sie ist noch einmal kurz im Bild, als Kid Code als Bester Film nominiert wird. Doch es scheint ihr völlig egal zu sein, und die Kamera schwenkt weiter.
Immer noch keine Nachricht.
Wir müssen warten, bis sie nach Hause kommt, um die ganze Geschichte zu erfahren. Als Jenny sie uns erzählt, klingt ihre Stimme völlig leer. Es ist, als würde sie über ein Mädchen sprechen, das sie mal gekannt hat, vor langer Zeit, und an das sie sich kaum erinnern kann.
»Es war meine Schuld«, sagt sie. »Und du hattest Recht, Edie. Die ganze Zeit.«
»Aber er hat dich doch gefragt, ob du ihn zu der Verleihung begleitest.«
»Am Abend vorher auf der Party hat er mir alles erklärt. Sigrid war noch mittendrin, sich von ihrem Freund zu trennen. Er war sich nicht sicher, ob sie kommen konnte. Und er wusste, es würde komisch rüberkommen, wenn er alleine hingeht, also war es leichter zu sagen, er kommt mit mir. Schließlich würde ja niemand auf die Idee kommen, dass wir ein Paar sind. Er wusste, dass ich das verstehe.«
»Aber du hast es nicht verstanden«, sagt Edie wütend.
Ich weiß, sie ist nicht auf Jenny wütend, sondern auf Joe. Es ist ziemlich offensichtlich, dass es ihm gefallen hat, von einem jüngeren Mädchen angehimmelt zu werden, solange er sich nicht sicher war, was aus ihm und Sigrid wird. Er hat ganz genau gewusst, was er tat.
»Es
Weitere Kostenlose Bücher