Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
dass er gar nicht über die Schauspielerei reden will, und eigentlich wollte ich das auch auf keinen Fall, weil, du weißt schon, beim letzten Mal ist es ziemlich schiefgegangen, aber dann stellt sich raus, dass ich es mir vielleicht noch mal überlegen muss.«
Sie sieht mich erwartungsvoll an. Als müsste ich erraten, was jetzt kommt. Dabei würde ich ihr viel lieber von meinem Balletttänzer erzählen. Ich hole Luft und will etwas sagen, aber sie nimmt es als Zeichen, dass ich unbedingt mehr wissen will.
»Stell dir vor, Bill hat ein Stück geschrieben. Über mich. Für mich. Die Hauptfigur ist ein Mädchen, dessen Vater sie hängenlässt, und sie muss die Beziehung zu ihm und dieser Stiefmutterfigur wieder aufbauen. Zuerst ist sie still und zurückhaltend, aber nach und nach wird sie zur Seele des ganzen Stücks. Bill hat gesagt, er hat beim Schreiben an mich gedacht. Wie mein Vater mich behandelt hat, du weißt schon, als er das Zeug über mich an die Presse verkauft hat. Bill hat sich vorgestellt, wie es wäre, wenn ich nach so was wieder bei ihm wohnen müsste. Sie hatten eine junge Schauspielerin, die mich spielen sollte. Meine Rolle, meine ich. Aber die ist im letzten Moment abgesprungen. Und im Januar fangen die Proben an. Und deshalb hat Bill an mich gedacht. Es ist natürlich nicht gesagt, ob ich die Rolle wirklich kriege. Also, wahrscheinlich eher nicht, aber … Hörst du mir überhaupt zu, Nonie?«
»Ja. Du hast gesagt, dass du die Rolle vielleicht nicht kriegst.«
»Welche Rolle?« Sie beobachtet mich misstrauisch.
»Die Rolle, die er für dich geschrieben hat.«
Puh. Ich hatte nicht zugehört, aber glücklicherweise sind die Sätze irgendwie hängengeblieben und im richtigen Moment wieder rausgekommen.
»Genau.«
Was sie als Aufforderung nimmt und sich weitere zehn Minuten den Mund fusselig redet. Irgendwas von einem kleinen Theater in Hammersmith, wo das Stück aufgeführt werden soll und das früher mal das Bootshaus eines Rudervereins war. Perfekt, um im kleinen Rahmen das Schauspielen zu üben ohne den Druck, unter dem sie in Hollywood gestanden hat, wo ihre Leistung – und das sagt sogar ihre Mutter – hart an der Schmerzgrenze war.
Ich bemerke, wie am Nachbartisch jemand so tut, als würde er nicht zu uns rüberstarren. Hat das Mädchen Jenny erkannt, die letztes Jahr in einem großen Blockbuster-Kinofilm mitgespielt hat und immer noch zur »Tarnung« einen mega-auffälligen Louis-Vuitton-Schal trägt? Oder mich, weil ich in letzter Zeit wegen der Miss-Teen-Kollektion in ein paar Zeitschriften war?
Dann erkenne ich sie – von einem Wohltätigkeitsvolkslauf, den Edie organisiert hat und bei dem Jenny und ich verschwitzt in T-Shirts und Sport-BHs hinter Edie hergejoggt sind. So ist das, wenn man ein-bisschen-berühmt, aber noch-nicht-richtig-berühmt ist.
»Also gehe ich nächsten Donnerstag hin. Ich finde es unglaublich, dass ich das mache, aber ich mache es.«
Keine Ahnung, wohin Jenny nächsten Donnerstag geht. Anscheinend irgendwas, das mit diesem Stück zu tun hat. Vorsprechen?
»Viel Glück«, sage ich und hoffe, dass es eine einigermaßen passende Antwort ist.
»Danke.« Sie lächelt. »Ach so, und wie war es bei dir? Wie war Paris?«
Na endlich! Und so erzähle ich ihr von der Beerdigung und von dem Empfang danach und davon, dass da dieser Typ war, dem ich zufälligerweise aufgefallen zu sein scheine …
»AHA! ICH HAB’S GEWUSST! Erzähl mir alles, JEDE EINZELHEIT!«
Juchhu! Genau das habe ich mir die ganze Zeit gewünscht. Ich erzähle von Alexander und seinen schönen Händen, und dass er mich Stiefel nennt, und ob-er-oder-ob-er-nicht schwul ist, und Jenny kann viel besser zuhören als ich.
»Also ich glaube, dass er nur Spielchen spielt«, sagt sie am Ende.
»Spielchen?«
Nur Jenny benutzt Ausdrücke wie »Spielchen spielen«. Bei den Dreharbeiten zu ihrem Blockbuster kam sie beinahe mit einem UNGLAUBLICH BERÜHMTEN FILMSTAR zusammen, was sie zur Expertin für Männerfragen macht. Und ihr diesbezüglich alle Illusionen genommen hat. Ihr Typ hat sie sitzenlassen, also sind alle Typen böse. Sie spielen alle nur Spielchen, wie es scheint.
»Meinst du nicht, dass er dich nur benutzt, um an Krähe ranzukommen?«
»An Krähe? Warum?«
»Damit sie was für ihn entwirft? Keine Ahnung. Er klingt gefährlich.«
Typisch Jenny. Traurig, aber wahr.
Ich zeige ihr ein Foto von Alexander, das ich über Google-Bildersuche gefunden und zufällig in der Handtasche habe.
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