Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
schlimmer. Sie schießen Fotos von den Schauspielern auf dem Weg ins Theater mit Kaffeebechern in der Hand, und später müde und ausgelaugt auf dem Weg hinaus. Jeder Stresspickel, den Jenny bekommt, wird in den Klatschmagazinen ausführlich besprochen. Und wenn sie wieder hölzern ist, wie in ihrem Film, wird ganz London und das halbe Land davon erfahren.
Abgesehen davon sind es tolle Nachrichten.
»War Sigrid auch bei dem Treffen?«, frage ich.
Jenny nickt. »Frisch und munter, wie immer. Sie sagt, sie ist überglücklich mit uns allen zusammenzuarbeiten und wir sollen sie einfach wie eine ganz normale Schauspielerin behandeln. Sie hatte dabei eine Nerzjacke an.«
Edie knurrt. Ich habe sie noch nie knurren hören. Es ist Furcht einflößend.
Jenny redet weiter. »Wir bekommen eine zusätzliche Probenwoche, damit Sigrid aufholen kann. Der Regisseur sagt, er hat beschlossen die Stiefmutter noch jünger zu machen, jetzt ist sie zweiundzwanzig statt zweiunddreißig. Er sagt, das erhöht die Spannung in der Mutter-Tochter-Beziehung. Und sie wollen die Rolle ein bisschen ausbauen, damit Sigrid mehr zu sagen hat.«
»Was heißt ein bisschen?«, fragt Edie.
Ich erinnere mich an das Foto von Sigrid und dem Regisseur vor dem Nachtklub. Sie hatte ein superkurzes Kleid an und machte ein äußerst glückliches Gesicht. Ich wette, ›ein bisschen‹ ist ›ganz schön viel‹.
»Morgen kommt sie zu den Proben«, sagt Jenny. »Heute haben wir einen Tag frei, damit Bill das Stück umschreiben kann. Sigrid hat mir gleich gesimst, wie toll sie es findet, mit mir auf der Bühne zu stehen, und dass ich ihr bestimmt eine Menge beibringen kann. Ich glaube, sie hat jedem die gleiche SMS geschickt.«
Jenny verzieht keine Miene, aber wir vermuten, dass Sigrid meinte, »wie froh du sein kannst mit mir zusammenzuarbeiten, und du kannst bestimmt eine Menge von mir lernen«.
»Es wird sicher alles gut«, sage ich und nehme ihre Hand. Was Besseres fällt mir nicht ein.
»Ja, vorausgesetzt, Sigrid bekommt eine Charakter-Transplantation«, setzt Edie finster nach.
Ich werfe ihr den Blick zu, aber sie ignoriert mich. Dafür macht sie ein überraschtes Gesicht, als Jenny wieder zu weinen anfängt.
Am Dienstag bekomme ich nach der Schule eine SMS von Alexander, der einen Klub in Chelsea vorschlägt, wo, wie ich zufälligerweise weiß, die Cocktails 100 Pfund kosten. Mum sagt, dass ich auf gar keinen Fall und unter gar keinen Umständen dahindarf. Was eine Mega-Erleichterung für mich ist, doch das binde ich ihr natürlich nicht auf die Nase.
Wie viele Schweißküsse ist ein 100-Pfund-Cocktail wert?
Mitten in meinem Aufsatz über Romeo und Julia simst er zurück und schlägt stattdessen einen Abend in der National Portrait Gallery vor. Zufälligerweise liebe ich die National Portrait Gallery. Es ist das perfekte Museum für jemanden, dem Kleider so viel bedeuten wie mir: lauter Bilder von Männern und Frauen in den unglaublichsten Moden der letzten tausend Jahre. Außerdem liebe ich Museumsbesuche am Abend, wo es ruhiger ist und das Licht interessanter, und wenn man rauskommt, ist die Nacht über London hereingebrochen.
Ich kann mir genau vorstellen, wie es laufen wird. Ein schönes Date. Interessante Gespräche. Dann eine Bank irgendwo. Am liebsten würde ich Nein sagen, aber ich könnte Jennys Schadenfreude nicht ertragen. Also sage ich Ja und rede mir ein, ich würde mich drauf freuen.
Zwei Sekunden später klingelt das Telefon und ich denke, oh nein, jetzt will er auch noch drüber reden. Misstrauisch gehe ich ran. Noch misstrauischer werde ich, als ich merke, dass Amanda Elat am anderen Ende ist. Was haben wir jetzt wieder verbrochen?
»Hallo, Nonie«, sagt sie freundlich, als wollte sie sich bei mir einschmeicheln. »Wie geht es dir?«
»Gut«, sage ich vorsichtig.
»Das ist schön. Wie geht es Krähe?«
Ich denke, die Frage ist ein Code für »Hat Krähe irgendwas über das wahrlich furchterregende Erlebnis vor drei Tagen bei uns in der Zentrale gesagt?«. Die Antwort ist, Krähe hat nicht viel dazu gesagt, und so antworte ich im gleichen Code: »Äh, gut.«
»Toll!«, perlt Amanda. »Super!«
Ich frage mich, ob das ein Code ist für »Es tut mir wirklich leid, dass wir euch so schrecklich behandelt haben, und können wir bitte noch mal von vorne anfangen?«.
Aber ich bin mir nicht sicher, deshalb sage ich nichts. In der Leitung entsteht eine lange Pause.
»Bist du noch da?«, fragt sie irgendwann.
»Ja«, sage
Weitere Kostenlose Bücher