Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
trinken oder Salat essen.«
»Cool«, sage ich. »Dann ernähren wir uns von Hamburgern und Cola.«
Edie sieht mich an, als wollte sie mir aus ernährungswissenschaftlicher Sicht widersprechen, aber dann muss sie zugeben, dass es aus medizinischer Sicht tatsächlich sinnvoll wäre.
»Sonst passiert was?«, fragt Jenny. Jenny braucht wie immer Einzelheiten.
»Krankheitserreger«, sagt Edie. Sie reißt die Augen so weit auf, dass sie selbst aussieht wie ein Krankheitserreger. »Keime. Magen-Darm. Dann hängt ihr die ganze Zeit über der Schüssel.«
»Na was für ein Glück, dass ich nicht mitkomme«, sagt Jenny lächelnd.
Edie ist schockiert. »Du kommst nicht mit? Warum?«
Jetzt sind Jenny und ich schockiert.
»Das Stück, Schwachkopf«, erkläre ich. »Wenn wir zurückkommen, tritt Jenny im Westend auf. Natürlich kann sie nicht mitkommen.«
Edie sieht immer noch überrascht aus. »Aber es geht hier um Indien. So eine Chance hast du nur einmal im Leben.«
»Genau wie beim Westend«, antworte ich. Jenny ist immer noch sprachlos. »Das ist Jennys größte Chance überhaupt. Es wird riesig. Sie braucht so viel Zeit zum Proben, wie sie kriegen kann. Die ganze Theaterwelt sieht zu. Größer geht’s nicht.«
Ich bin so mit Edies Begriffsstutzigkeit beschäftigt, dass ich vergessen habe Jennys Nerven zu schonen. Dann fällt mir auf, dass sie grün im Gesicht ist.
»’tschuldigung«, sagt sie und rennt raus.
Sieht aus, als bräuchten wir keine Keime, um aufs Klo zu müssen. Gute Freundinnen tun’s manchmal auch.
Nach meiner kurzen SMS wegen der Verabredung bombardiert mich Alexander mit Vorschlägen. Einer ist, ins Kino zu gehen und eine Horrorkomödie zu sehen, die in der Zeitung hoch gelobt wurde. Er sagt, er geht mit ein paar Freunden hin. Das klingt lustig und als ob keine Parkbank im Spiel wäre, deshalb sage ich gerne zu.
Wir treffen uns vor einem coolen Kino in Notting Hill. Ich trage wieder meine Pixie Boots und denke im letzten Moment daran, leicht zu humpeln. Seine Freunde sind alle unglaublich dünn, blass und schön. Sie stehen kerzengerade und mit nach außen gedrehten Füßen da oder lehnen elegant an verfügbaren Oberflächen. Sie sind so offensichtlich Balletttänzer, dass sie nicht mal den Leinenschal brauchen, um es zu beweisen.
Alle sind sehr nett zu mir, auch wenn ich mit Abstand die Jüngste bin, und ihnen gefällt mein neues Kunstpelzminikleid (ich vermisse die rosa Eisbärteddyjacke). Einer der Jungs ist Belgier und will unbedingt Französisch mit mir reden, während wir vor der Kasse in der Schlange stehen. Also plaudern wir auf Französisch.
Ich bin rundum großstädtisch und vielsprachig und toll. Wieder einmal habe ich in Sachen Verabredung eine gute Entscheidung getroffen und ich wünschte, Jenny wäre hier, um mich zu sehen. Jetzt hoffe ich nur noch, dass der Film so gut ist, wie alle sagen, dann ist es ein beinahe perfekter Abend.
Doch ich werde nie herausfinden, wie der Film ist, weil ich nicht dazu komme, ihn anzusehen.
Gleich nach dem Spot, der die Zuschauer daran erinnert, ihr Handy abzustellen, dreht sich Alexander zu mir um und senkt sein schwitziges Gesicht über meins. FÜNF MINUTEN LANG. Na ja, vielleicht nicht ganz, aber es fühlt sich an wie fünfzig Jahre. Dann holt er Luft und ich darf ein paar lustige Anfangsszenen sehen, bis er sich wieder umdreht und WEITERMACHT.
Hat dieser Mann keinen Anstand? Ist es seinen Freunden egal? Muss ich ein andermal ins Kino gehen, wenn ich den Film sehen will?
Beim dritten Mal öffne ich die Zähne ein kleines bisschen, um zu sehen, ob das mit der Zunge wirklich so eklig ist, wie ich es mir vorstelle. Und das ist es. Seine Zunge ist hart und spitz, und auch wenn ich schätze, dass man an der Zunge nicht schwitzen kann, fühlt sie sich verschwitzt an. Es ist so widerlich, dass ich meinen ganz persönlichen Horrorfilm erlebe, nur dass es keine Komödie ist, und wenn ich die Augen schließe, hört es nicht auf.
Das ist der Moment, in dem mir endlich klar wird, dass ich NICHT IN ALEXANDER VERLIEBT BIN. Es hätte mir längst auffallen müssen.
Ich mag seine Wuschelhaare. Ich mag – wie alle Mädchen –, dass er wie Robert Pattinson aussieht. Ich mag seine langen Finger und seine muskulösen Beine, aber ich mag nicht, dass er mich Stiefel nennt, und ich mag es nicht, wenn ich nicht weiß, ob ich mir Pommes nehmen darf oder nicht, und ich mag es vor allem nicht, WENN ER MIT SEINEM GESICHT IN MEINE NÄHE KOMMT.
Was unpraktisch
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