Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
kreuzunglücklich gemacht, weil er ständig auf allem, was sie tat, rumgehackt hat, selbst auf der Art, wie sie die Leute ansah . Anthony scheint nach allem, was sie erzählt hat, das genaue Gegenteil zu sein: Er sagt überhaupt nichts zu ihr.
»War er in letzter Zeit irgendwie hilfreicher?«
»Nein, war er nicht«, murmelt sie niedergeschlagen. »Er ist die ganze Zeit damit beschäftigt, Sigrid durch ihren Text zu lotsen und dafür zu sorgen, dass sie ihr Wasser hat, und nachzufragen, ob Joe Yule mal wieder gesimst hat. Heute hat er uns früher heimgeschickt, um unter vier Augen mit ihr zu reden, weil sie irgendein Problemchen hatte. Das macht er ständig. Und ich muss mich auf Jim verlassen, dass ich einigermaßen spiele.«
Jim ist der, der den Vater spielt. Er und Jenny haben den SIEDKDB-Klub gegründet, was für »Sigrid ist eindeutig die Königin des Bösen« steht. Bis jetzt sind sie die einzigen Mitglieder. Sie trauen sich nicht, die anderen anzusprechen, weil sie fürchten, dass sie sonst auch plötzlich auf mysteriöse Weise »mehr Zeit mit ihrer Familie« verbringen müssen wie Caroline, die Frau, die ursprünglich Sigrids Rolle hatte.
»Ich bin mir ganz sicher, dass du fantastisch bist«, sage ich mit freundschaftlicher Überzeugung.
Jenny lächelt ihr melancholisches Schauspielerinnenlächeln. »Hoffentlich. Ich bemühe mich. Ich meine, ich fühle mich wohl im Theater. Es macht mir riesigen Spaß. Das Einzige, was mir Angst macht, ist das mit dem Publikum. Du weißt schon … nach … allem.«
Sie meint, nachdem sie letztes Mal, als sie neben einem Hollywoodstar gespielt hat, mit Esszimmermöbeln verglichen wurde.
»Na ja«, seufzt sie, »hier sind die Eintrittskarten. Am Mittwoch kannst du es dir selbst ansehen.«
Sie überreicht mir einen Umschlag und ich kann die Eintrittskarten darin fühlen. Einen kurzen Moment werde ich ebenfalls blass. Die letzten Eintrittskarten, die ich überreicht bekommen habe, waren von meinem Exfreund-in-spe und wir wissen alle, wie es weiterging.
»Ich freue mich drauf«, lüge ich solidarisch, während mir vor lauter Mitgefühl ganz flau im Magen ist.
»Ja«, seufzt sie. Dann legt sie wieder ihre Michael-Jackson-Verkleidung an und wir schleichen durchs Museum, vorbei an der strahlenden Vitrine mit dem Oscarkleid der Königin des Bösen und hinaus in den Vorfrühlingsregen, der widerspiegelt, wie wir uns fühlen.
Der Mittwoch ist da. Ich erwarte Paparazzi überall, doch erstaunlicherweise sind nur wenige gekommen. Teils liegt es daran, dass das Stück in einem der kleinsten Theater Londons gespielt wird. Außerdem hat heute am anderen Ende der Stadt ein großes neues Musical Premiere. Und die wichtigen Kritiker kommen noch nicht. Sie warten, bis Tochter ihres Vaters im Westend gezeigt wird, vor dem großen Publikum.
Genauso will es Jenny haben. Nebenbei hat Sigrid anscheinend zu Joe Yule gesagt, dass er nicht kommen soll, damit sie erst mal mit ein bisschen Privatsphäre spielen kann. Als Jenny mir davon erzählt, höre ich sie zum ersten Mal von Sigrid reden, ohne dass sie gleich in Tränen ausbricht. Ausnahmsweise sind die beiden einfach zwei junge Schauspielerinnen mit Lampenfieber, die ihr Bestes geben und hoffen, dass es dem Publikum gefällt.
Bis Sigrid beschließt, zur Feier der Premiere jedem, der mit dem Stück zu tun hat, eine DVD-Box mit ihren und Joes Filmen zu schenken und ein signiertes Foto von beiden in einem Silberrahmen. Dann sind sie wieder eine junge Schauspielerin mit Lampenfieber und ein TOTAL DURCHGEKNALLTES STARLET, und alles ist so wie früher.
Ich bin noch nie im Boat House gewesen. Es liegt am Ende einer kleinen Gasse, die wirkt, als würde sie an einem zwielichtigen Stück Flussufer enden, doch stattdessen führt sie auf einen kleinen Platz mit einem windschiefen Fachwerkhäuschen. Im Innern des Häuschens ist es zum Herumstehen zu eng und so drängen sich die Theaterbesucher auf dem mit Lichterketten geschmückten Platz, wo sie aus Plastikbechern trinken und sich gespannt über das Stück unterhalten.
Weil Premiere ist, besteht ein großer Teil des Publikums aus Familie und Freunden. Ich bin mit Mum und Harry gekommen und bald entdecken wir Jennys Mutter, die schrecklich nervös wirkt und viel zu schnell aus ihrem Plastikbecher trinkt. Mum sagt ihr, wie toll Jenny ist und wie stolz Jennys Mutter sein muss eine so talentierte Tochter zu haben. Mum ist SOOO gut in solchen Dingen. Jennys Mutter wirkt zutiefst dankbar und trinkt
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