Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
ist, wenn man mit jemand zusammen sein will.
Auf einmal muss ich an Krähe denken und dann ist es ganz einfach. Ich weiß, was zu tun ist. Ich warte, bis er fertig ist, und versuche dabei nicht an den letzten Horrorfilm zu denken, den ich gesehen habe, wo jemand eine Riesenspinne ins Gesicht bekommt. Dann mache ich mich von ihm los, gebe ihm ein Küsschen auf die Wange und sage: »Tut mir leid, ich muss gehen.« Ich stehe auf, gehe aus dem Kino und schaue nicht zurück.
Es war viel leichter, als ich gedacht hatte. Und ich bin so erleichtert, ich weiß, dass ich das Richtige getan habe. Außerdem bin ich froh, dass Jenny nicht hier ist und mich sieht.
Sie würde vor Lachen Bauchschmerzen bekommen und könnte am Ende vielleicht nicht auftreten.
Ich sorge dafür, dass ich nicht in der Nähe bin, wenn Jenny die Neuigkeiten erfährt. Ich erzähle es Edie und Edie erzählt es ihr, doch leider erzählt Edie mir später, wie rasend komisch Jenny das Ganze fand, so dass ich es ihr auch gleich selbst hätte erzählen können.
Irgendwie sickert die Geschichte auch bei mir zu Hause durch. Harry findet sie so lustig, dass er mehrere Stunden lang keine traurige russische Volksmusik hört. Mum versucht mitfühlend zu sein, aber es ist klar, dass sie ja gleich gewusst hat, wie es ausgehen würde.
Ich hasse es, dass Mütter immer alles gleich gewusst haben. Es ist eine äußerst nervende Charaktereigenschaft und eigentlich sollten sie sich viel mehr Mühe geben, so zu tun, als wären bestimmte Dinge eine Riesenüberraschung für sie.
Nur Krähe hat genau die perfekte Mischung aus Bestürzung und Mitgefühl und deshalb schütte ich ihr stundenlang mein Herz aus, während sie an Sigrids neuem Kleid arbeitet. Sie nickt und sagt nicht viel, was genau richtig ist (außer dass sie mich ab und zu ermahnt dem Kleid nicht zu nahe zu kommen). Außerdem muss ich, wenn ich ihr zusehe, nicht ständig an Alexander und Schweiß und Kinos denken. Manchmal geht es einfach nur um Mode.
Jenny gehe ich ein paar Tage aus dem Weg, doch am Ende bettelt sie um ein Treffen, und weil ihr Stück bald Premiere hat, kann ich schlecht Nein sagen. Jenny hat nicht besonders viele Freunde in der Schule, weil viele nicht wissen, wie sie mit einer Mitschülerin umgehen sollen, die in einem Hollywoodfilm mitgespielt hat und bei Talkshows auftritt und »beste Freundin« der Freundin eines Teenager-Sexgotts ist. (Die Antwort ist übrigens »ganz normal« und nicht »fies und gemein«, wie die Mädchen an unserer Schule offensichtlich meinen.) Edie ist wie üblich mit ihren Klubs und AGs beschäftigt und damit, den Leuten das Shoppen auszureden, und wenn nicht mal ich mit Jenny rede, besteht die Gefahr, dass es keiner tut.
Also verabreden wir uns wie üblich am Samstag im Café des V&A, im Anschluss an Jennys Probe. Inzwischen trägt sie den Louis-Vuitton-Schal über dem Gesicht, so dass sie wie eine rothaarige Version von Michael Jackson wirkt. Als sie sich setzt, bemerke ich, wie an zwei Tischen Leute mit dem Handy Fotos von ihr machen. In den ersten fünf Minuten muss sie sich mehrmals unterbrechen und Autogramme geben. Dann nimmt sie für ihren Smoothie den Schal ab und schon fällt sie den Leuten nicht mehr so auf. Endlich können wir uns unterhalten.
»Ich will nicht sagen, ich hab’s dir gleich gesagt«, sagt sie und die Worte »ich hab’s dir gleich gesagt« stehen zwischen uns im Raum.
Ich seufze. Bringen wir es hinter uns.
»Du meinst das mit Alexander?«
»Mit wem sonst?«
»Schon gut. Aber wenigstens hat er nichts Schlimmes getan. Ich meine, er hat mich nicht hintergangen oder so was. Er war einfach nur nicht …«
»Was? Sexy? Interessant? Nett?«
»Mein Typ«, sage ich wenig überzeugend.
»Ach«, sie grinst. »Na ja, jetzt weißt du, wie sie sind. Tut mir leid, dass du’s auf die harte Tour erfahren musstest.«
Sie sieht kein bisschen so aus, als würde es ihr leidtun. Und sie hat mich auch nicht überzeugt. Ich glaube nicht, dass alle Männer so sind. Harry zum Beispiel ist ein Schatz, wenn er mich nicht gerade ärgert. Und mein Vater auch. Ich kann nichts dafür, dass Jenny bisher Pech hatte. Aber ich habe mir fest vorgenommen nett zu ihr zu sein. Deshalb wechsle ich das Thema.
»Wie geht es dir? Seid ihr bereit für die Premiere?«
Sie wird blass. »Besser werden wir wohl nicht mehr. Aber Anthony meint, wir sind keine komplette Katastrophe.«
Anthony Lyle ist der Regisseur des Theaterstücks. Jennys Filmregisseur hatte sie
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