Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
anhört, sondern auch grammatikalisch falsch ist. Man verbessert Grannys Grammatik nicht, aber ich versuche wenigstens den Blick meiner Englischlehrerin zu imitieren, wenn ich über Shakespeare rede. Leicht enttäuscht bis genervt. Natürlich bekommt Granny nichts davon mit.
Ich bin mit meinem Blick beschäftigt, als ich eine SMS bekomme. Einen Moment lang habe ich weiche Knie und frage mich, ob sie von Alexander ist. Seit dem Horrorfilmkomödien-Kussszenario hat er sich nicht mehr gemeldet und ich habe gehofft, dass es auch so bleibt, aber man weiß ja nie.
Doch sie ist nicht von Alexander. Es ist eine Nummer, die ich nicht kenne. »Du musst nicht nach Paris kommen. Meine Stylistin kommt mit. Gib ihr einfach das Kleid. S xoxoxoxo.«
Diesmal sieht Granny meinen Blick. Den neuen.
»Schlechte Nachrichten, Darling?«
Ich will ihr die Nachricht zeigen, aber sie hat ihre Brille nicht auf, also lese ich vor, inklusive xoxoxoxo.
Granny sagt ein unflätiges Wort – auf Englisch, perfekte Aussprache –, das man von jemandem ihres Alters nicht erwartet.
» Wir nennen sie die Königin des Bösen«, sage ich.
»Ich verstehe, warum.«
Halb hoffe ich, dass die Nachricht ein schlechter Scherz von Jenny oder Edie ist, nicht dass ich ihnen so was zutrauen würde. Nicht mal Harry wäre zu so was fähig. Aber es ist kein Scherz.
Am nächsten Morgen taucht Sigrids Stylistin auf. Sie ist klein, Italienerin und trägt von Kopf bis Fuß Louis Vuitton. Nicht nur das Halstuch, sondern auch das Oberteil und den Rock und die Stiefel und die Tasche und alles. Sie telefoniert gerade, und während der ganzen Zeit, die sie da ist, spricht sie kein Wort Englisch. Sie plaudert nur ohne Punkt und Komma auf Italienisch in ihr Telefon und macht uns mit Gesten klar, was sie will.
Sie macht eine Geste für das Kleid. Wir nehmen sie mit ins Atelier und zeigen es ihr. Sie nickt. Sie macht eine Geste, dass wir es in den Kleidersack legen sollen, der mit säurefreiem Seidenpapier ausgelegt ist. Wir tun es, was Ewigkeiten dauert. Und die ganze Zeit ist sie damit beschäftigt, über ihr italienisches Problem zu quatschen, falls sie eins hat. Dann macht sie eine Geste, dass wir ihr den Kleidersack geben sollen, den sie hoch über ihren Kopf halten muss, damit er nicht am Boden schleift.
Dann geht sie. Und das war’s.
Erst Paolo und dann diese Wie-sie-auch-heißt in Louis Vuitton. Was ist das mit mir und den Italienern? Habe ich ihnen irgendwas getan?
O nein. Ich sehe an mir herunter. Ich trage die Leggings mit den Schimpfwörtern, die mir mein Freund Marco beigebracht hat. Na toll. Wahrscheinlich habe ich es geschafft, sie zutiefst zu beleidigen, ohne dass wir ein Wort gewechselt haben.
Großartig.
Ich erzähle niemandem von dem Malheur mit den Leggings. Zum Glück. Aber ich glaube auch nicht, dass es diesmal meine Schuld war. Wirklich nicht. Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht meine Schuld war. Ehrlich. Nein, Sigrid ist einfach die Königin des Bösen und es musste so kommen. Mein einziger Fehler war, dass ich es nicht gleich kapiert habe.
Harry, Krähe und ich zappen uns Stunden über Stunden durch alle Nachrichtenkanäle, die wir finden können, auf der Suche nach Bildmaterial zu der Elysée-Palast-Feier. Wir freuen uns wahnsinnig. Es ist so wie bei den Oscars im letzten Jahr, nur besser, weil wir diesmal nicht so nervös sind. Irgendwann zeigt eine Unterhaltungssendung auf Sky, wie die ganzen berühmten Leute ankommen.
Berühmte Franzosen. Berühmte Italiener. Berühmte Engländer. Berühmte Amerikaner. Berühmte Leute, die ich nicht erkenne. Alle Frauen sind hinreißend und alle Männer sind wunderschön wie Johnny Depp. Es ist, als hätten sie alle einen Schönheitstest bestehen müssen, bevor sie eingeladen wurden.
Die Modeschöpfer haben sich ins Zeug gelegt. Die Damen schimmern und flattern und glitzern und strahlen, je nachdem welche Variante von »unglaublich toll« dem auserwählten Designer vorgeschwebt hat. Und wir beglückwünschen uns schon dazu, dass Krähe ein so außergewöhnlich schwieriges, überwältigendes und TEURES Kleid entworfen hat, als Sigrid ins Bild kommt. An ihrer Seite ist ein Mann, der mir vage bekannt vorkommt. Jenny quiekt. Es ist ihr Regisseur, schon wieder. Er sieht aus, als wäre er gestorben und in den Starhimmel aufgestiegen.
Sigrid sieht, wie immer, fantastisch aus. Sie ist eine der allerschönsten Gäste und das heißt was. Sie hat dieses ganz besondere Leuchten, als hätte sie
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