Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
Unterstützung hier. Ich bin auch eine Art Leibwächter. Ich bewache das Kleid. Am Paravent neben Jennys (altem, aber nicht antikem) Spiegel hängt ein Kleidersack, in dem sich Plan Jenny verbirgt. Falls ihm irgendwas zustößt, werde ich, wie mich Granny hat wissen lassen, gevierteilt, zerstückelt und an die Löwen im Londoner Zoo verfüttert. Der Inhalt des Kleidersacks muss mit dem Meeresgöttinnenkleid konkurrieren, was nicht leicht sein wird. Aber vom Meeresgöttinnenkleid ist nur noch die Hälfte übrig, nachdem es an den Knien gekappt wurde, und daher haben wir, denke ich, eine Chance.
Als Jenny nach dem letzten Vorhang zurückkommt, um sich umzuziehen, ist sie ganz rot von dem stürmischen Applaus, den die Schauspieler geerntet haben.
»Das klang gut«, sage ich.
»Besser als gut«, antwortet Jenny mit roten Wangen. »Es war perfekt.«
Megan, mit der sie sich die Garderobe teilt, nickt nachdrücklich.
»Wie lange dauert es, bis die ersten Kritiken erscheinen?« Ich weiß, ich soll nicht fragen, aber ich kann nicht anders. Sie sehen auf die Uhr.
»Etwa sieben Stunden. Im Internet vielleicht früher.«
Die nächsten dreißig Minuten sind hektisch. Mit einem geborgten Bügeleisen versuche ich Plan Jenny den letzten Schliff zu verpassen, aber ich werde dauernd unterbrochen, weil ständig Leute in die Garderobe platzen und Jenny sagen, wie großartig sie war. Und gelegentlich auch Megan. Es ist ein bisschen wie bei der Fashion Week nach Krähes erster Modenschau. Alle deine Freunde sind bei dir und unterstützen dich. Es ist wirklich schön und wiegt all die Mühe und Schwierigkeiten beinahe auf.
Eine Stunde später halten wir vor dem schicken Klub in Soho, wo im obersten Stock die Premierenparty stattfindet, mit Tanz unter den Sternen. Es sind genug Paparazzi da, dass sie ihren eigenen Kamera-Handel aufmachen könnten. Ich erinnere mich daran, wie Jenny zum ersten Mal aus einer Limousine ausgestiegen ist. Damals hatte sie das Kirschtomatenkleid an und das Gefühl, die Welt würde sie verschlucken. Heute gleitet sie wie ein Profi vom Sitz und strahlt in die Kameras. Sie ist immer noch berauscht von ihrem Auftritt und möglicherweise weiß sie, wie gut sie aussieht, nämlich absolut entzückend. Ich rutsche hinter ihr aus dem Wagen, in meinem Goldbrokatmantel, und versuche es ihr so gut wie möglich nachzumachen.
Sigrid und Joe verschwinden gerade in der Tür, nachdem sie für mehrere Fotos posiert haben. Joe sieht zum Anbeißen aus, wie immer. Total Sexgott-mäßig, als er noch einmal in die Runde lächelt. Sigrid hat es eilig reinzukommen. Ich erhasche einen Blick auf das, was von den ultramarinblauen Röcken übrig ist, die ihr um die Knie flattern. Sieht gut aus. Aber mehr Hochwasserfee als Meeresgöttin, denke ich.
»Hey, Jenny«, ruft jemand aus der Menge, »ist dein Kleid auch von Krähe?«
Meine Güte. Was verstehen diese Leute bloß von Mode? Als Nächstes wollen sie wissen, ob meine skulpturalen Shorts von Chloé sind (sind sie nicht – ich habe sie selbst gemacht –, aber sie sind von Chloé inspiriert ).
»Nein, das Kleid ist Givenchy«, sagt Jenny.
»Es wurde von Audrey Hepburn getragen«, erläutere ich, »zu der Zeit, als sie Frühstück bei Tiffany drehte.« Ich habe die Information längst bei der Presse gestreut. Das ist noch so was, das man lernt, wenn man in der Modebranche ist.
Gute alte Granny. Nicht nur sie besitzt Modeschätze, sie hat auch Freunde, die Mode sammeln. Und manche davon sind sehr, sehr reich und besessen von alten Hollywoodstars. Und manchen davon macht es nichts aus, wenn ein pfirsichfarbenes Bouclé-Cocktailkleid (»Nur einmal, ma chère – isch tue das nie, nie wiedär – und Vorsischt mit die Säume«) kurzfristig von einer namhaften Designerin für eine junge aufstrebende Schauspielerin geändert wird, die nicht eben Audreys Kleidergröße hat, auch wenn sie dünn ist. Es gibt wenig, was Krähe an einem guten Tag Konkurrenz machen könnte, aber ein Kleid, das Audrey Hepburn getragen hat, kann das.
Jennys Schuhe sind Vintage Roger Vivier, falls es jemand wissen will, aber niemand will es wissen. Nach dem Audrey-Hepburn-Augenblick spielen die Schuhe keine Rolle mehr.
Im Klub warten Edie, Krähe und Jennys Mutter schon auf uns. Mum hat angeboten mitzukommen und meinen Champagnerkonsum zu überwachen, aber nach der Geschichte mit Alexander im London Eye ist mir die Lust auf Champagner vergangen. Heute Abend stürze ich mich in den Genuss von Limonade
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