Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
glaubt, aber sie hat zu viel zu tun, um nachzuhaken, und das ist gut.
Am nächsten Tag stellt Starbucks seinen neuen fettarmen Schokoladenbananenmilchshake vor, der bei Miss Teen sofort zum Verkaufsschlager wird. Mehrmals am Tag werden Praktikanten geschickt, um Nachschub zu holen. Mindestens einmal am Tag bin ich an der Reihe.
Meistens ist Liam da. Er lächelt mir immer mit dem halb amüsierten Lächeln zu und mustert mein Outfit. Ich wünschte wirklich, ich wäre ein normaler sexy Teenager im Minirock mit mehrlagigen Westentops und strotzend vor Selbstbewusstsein. Aber das bin ich nicht. Und es ist zu anstrengend, mich jeden Tag zu verstellen.
Mit jedem Mal, das ich ihn sehe und weiß, dass er mich für einen Freak hält, und sein weiches Haar bemerke und die grünen Sprengsel in seinen blauen Augen und die Art, wie sich sein Mund kräuselt, wenn er lächelt, wird mir klarer, wie gern ich ihn habe. Inzwischen ist er die einsame Spitze meiner unerreichbaren Lieblingsjungs.
Ich versuche mich von ihm abzulenken, indem ich über Krähes Ideen für das neue Label nachdenke. Funktioniert nicht. Nur Edie schafft es, mich auf andere Gedanken zu bringen. Leider, indem sie mich mit ihrer ernsthaften Sorge um Jennys Mutter ansteckt.
»Es ist die Art, wie sie sich vor jedem Menschen versteckt.«
»Weißt du, dass sie trinkt?«, frage ich.
Edie sieht mich entsetzt an. »Wirklich?«
»Das vermutet jedenfalls meine Mum.«
»Gloria hat nicht betrunken gewirkt. Aber …« Edie spielt mit ihrem Strohhalm. Wir sind im Café vom Victoria-&-Albert-Museum, wo ich praktisch meinen zweiten Wohnsitz habe. Außerdem muss Edie ab und zu aus ihrer Bibliothek heraus.
»Wie hat sie denn gewirkt?«
Edie nimmt sich Zeit zum Nachdenken. »Als würde sie schlafwandeln. Als wäre sie eigentlich gar nicht da.«
»Und was hat sie gemacht?«
»Sie war im Schlafzimmer, bei geschlossenen Vorhängen. Ich habe sie gefragt, ob es ihr gut ging, und sie sagte: ›Ja, danke‹, aber ihre Stimme klang irgendwie gebrochen, als würde sie sie nie benutzen.«
»Denkst du, sie hatte einen Kater?«
Edie zuckt die Schultern und macht wieder ihr entsetztes Gesicht. »Ich weiß nicht, was ich denken soll.«
Wir können nur eins tun. Wir müssen Jenny fragen. Wir bleiben abends lange auf, damit wir sie anrufen können, weil sie mit Charlotte irgendeinen Ausflug nach Brooklyn macht.
»Warum skypen wir nicht einfach?«, zwitschert sie. »Jackson hat Skype. Wir sehen uns gleich.«
Nach fünf Minuten Gefummel mit der Kamera an Mums Computer (mein alter Laptop hat keine) schaffen wir es, ein lahmes, grobkörniges Bild von Jenny in irgendeinem Zimmer mit einem Flügel im Hintergrund auf unseren Bildschirm zu zaubern, und sie sieht uns mit zusammengesteckten, besorgten Gesichtern.
»Es geht um Gloria«, sagt Edie.
»Ist sie immer noch unheimlich ?«
So kommen wir nicht weiter.
»Hat sie gesundheitliche Probleme?«, frage ich. Wie fragt man jemanden, ob seine Mutter Alkoholikerin ist? »Können wir jemand anrufen?«
Eine Pause entsteht, und Jennys Gesicht flackert, während wir auf eine Antwort warten.
»Ihr könnt ihren Arzt anrufen, wenn ihr wollt. Er steht bei uns im Telefonbuch. Aber er wird euch nur sagen, dass sie ihre Medikamente nehmen soll, was sie nicht tut. Das hatten wir alles schon.«
»Medikamente wofür?«
Jenny schweigt einen Moment. »Depressionen.«
»Oh!«, sagen Edie und ich gleichzeitig. Irgendwie klingen Depressionen nicht so schlimm. Jedenfalls nicht so schlimm wie Trinken.
»Ist sie manisch-depressiv?«, fragt Edie sofort ganz sachlich. »Bipolar?«
»Nein!«, sagt Jenny. Vielleicht liegt es an der grobkörnigen Übertragung, aber sie sieht fast so aus, als wünschte sie, es wäre so. »Nicht manisch. Nur depressiv. Chronisch depressiv. Aber sie kommt schon wieder auf die Beine. Das war immer so. Ich muss jetzt los. Bitte, erinnert Mum daran, dass sie die Kätzchen füttert, ja? Tschüs.«
Und das war’s. Sie greift nach der Kamera und stellt sie ab. Das Bild wird grau. Sie ist weg.
Edie steht auf. »Ich gehe rüber«, sagt sie.
»Was? Nach New York?«
»Nein, du Blödi. Zu Jenny nach Hause. Ich habe den Schlüssel. Wenn ich heute Abend die Nummer ihres Arztes finde, kann ich ihn morgen früh anrufen und Glorias Medikamente besorgen. Hoffentlich kriegen wir sie wieder hin, bevor Jenny zurückkommt.«
Das sieht ihr ähnlich. Edie würde liebend gern zu Jenny sagen können, dass sie in Jennys Abwesenheit ihre Mutter
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